An einer jüdischen Schule in Brasilien wurde die Online-Trauerfeier für eine langjährige Schulleiterin von Antisemiten gehackt. Dora Fraifeld, die fast vier Jahrzehnte lang an der Eliezer-Max-Schule der Reform-Gemeinschaft Associação Religiosa Israelita (ARI) in Rio de Janeiro unterrichtet und diese auch geleitet hatte, war in der vergangenen Woche im Alter von 74 Jahren verstorben.
LINK Zu ihren Ehren fand am Sonntag eine virtuelle Trauerzeremonie statt. Rund 50 Teilnehmer hatten sich auf der Plattform »Google Meet« eingefunden, als Hacker die Kontrolle über das Programm übernahmen und wüste judenfeindliche Parolen posteten, darunter »Lasst uns die ARI und alle Synagogen niederbrennen«, »Tod den Juden« und - auf Deutsch - »Sieg Heil«.
Ebenfalls auf dem Bildschirm zu sehen waren Clips mit Adolf Hitler, Nazisymbole und ein Video, auf dem ein Paar beim Sex zu sehen war. Die Schiwa-Zeremonie wurde daraufhin abgebrochen und später mit einem anderen Link fortgesetzt.
Schulleiter Daniel Orlean sagte gegenüber der Nachrichtenagentur JTA, man habe, um ein größeres Publikum zu erreichen, den Zugangslink auf den sozialen Netzwerken veröffentlicht, was es den Hackern ermöglicht habe, die Feier zu stören. Man habe unterdessen ein IT-Unternehmen beauftragt, die Sicherheitsmaßnahmen zu verbessern.
UNTERSUCHUNG Mittlerweile ermittelt in der Sache auch die Polizei. Die jüdische Gemeinde forderte auch die Politik auf zu handeln. »Behörden aus Bundes-, Landes- und Gemeindekreisen müssen gegen Antisemitismus und die Verfolgung von Minderheiten Stellung beziehen«, erklärte Alberto David Klein, Vorsitzender der ARI und Präsident der Jüdischen Föderation des Bundesstaates Rio.
Er sprach von einem »Hassverbrechen«, das eindeutig gegen eine religiöse Minderheit gerichtet sei. Der Tageszeitung »O Globo« sagte Klein: »Dies sind terroristische Aktionen, denn sie erzeugen Panik, Angst und Terror.«
Die Kommission gegen religiöse Intoleranz des Regionalparlaments von Rio forderte eine Untersuchung des Vorfalls durch die Polizeibehörde zur Bekämpfung von Cyberkriminalität. Der Abgeordnete Átila Nunes sagte, es handele sich um ein schwerwiegendes Verbrechen, das sich gegen die Grundlagen der Demokratie richte, weshalb die Urheber der Angriffe so schnell wie möglich ermittelt werden müssten.
BOLSONARO Der jüdische Abgeordnete Carlos Minc von der oppositionellen Arbeitspartei ging noch weiter. Er gab Brasiliens rechtspopulistischem Präsidenten Jair Bolsonaro eine Mitschuld für die Aktion der Hacker. »Die Tatsache, dass Bolsonaro Naziführer beherbergt, ermächtigt andere, diese Drohungen auszusprechen«, wetterte Minc auf seinem Twitter-Kanal.
Wen er damit meinte, machte er kurz darauf mit einem Retweet eines Fotos klar, das ein anderer User gepostet hatte und auf dem Bolsonaro mit der stellvertretenden AfD-Vorsitzenden Beatrix von Storch und ihrem Mann Sven zu sehen ist. Allen drei Abgebildeten wurde ein Hitlerbärtchen verpasst. Mitte Juli hatte der Staatschef das Ehepaar im Präsidentenpalast in Brasilia empfangen. mth