Trotz Protesten der US-Demokraten halten die Republikaner im Senat an einer schnellen Abstimmung über die Nachfolge der verstorbenen Verfassungsrichterin Ruth Bader Ginsburg fest. Der Mehrheitsführer der Republikaner in der Kammer, Mitch McConnell, sagte am Montag, der Senat werde noch in diesem Jahr über einen von US-Präsident Donald Trump nominierten Kandidaten für das Oberste US-Gericht abstimmen. Anders als von den Demokraten behauptet, gebe es dafür ausreichend Zeit und gute Gründe.
Die Demokraten fordern, dass der freigewordene Posten im einflussreichen Supreme Court vom Sieger der Präsidentenwahl am 3. November besetzt wird. Zum einen hoffen sie, dass ihrem Kandidaten Joe Biden als Wahlsieger das Vorschlagsrecht zufällt. Der Wahlgewinner wird am 20. Januar vereidigt.
Trump zog am Montag Berichte in Zweifel, wonach Ginsburg als letzten Wunsch geäußert habe, dass ihre Nachfolge von einem neuen Präsidenten bestimmt werden solle.
Da der Senat zudem über die Personalie abstimmen muss und bei der Wahl parallel auch über die Neubesetzung zahlreicher Senatssitze entschieden wird, könnten sich die Mehrheitsverhältnisse in der von Trumps Republikanern dominierten Kammer zugunsten der Demokraten drehen. Damit könnten sie Trumps Kandidaten blockieren. Der neue Senat tritt am 3. Januar zusammen.
Trump sagte am Montag, er würde eine Abstimmung über die Nachfolge Ginsburgs vor der Präsidentschaftswahl bevorzugen. Er betonte erneut, er werde eine Frau für den Posten nominieren und seine Auswahl am Freitag oder Samstag bekanntgeben. Fünf Kandidatinnen seien in der engeren Auswahl. Trump bestätigte, dass darunter die Richterinnen Amy Coney Barrett (48) aus Chicago und Barbara Lagoa (52) aus Florida sind, die von US-Medien als Favoritinnen gehandelt werden. Barrett und Lagoa werden beide als konservative Katholikinnen beschrieben, die beispielsweise Abtreibung ablehnen.
Ginsburg hingegen war eine liberale Frauenrechtlerin und Ikone der Bürgerrechtsbewegung. Sie war am Freitag mit 87 Jahren nach einer Krebserkrankung gestorben. In Washington sind diese Woche mehrere Gedenkzeremonien für die langjährige Verfassungsrichterin geplant. Das Begräbnis ist laut Supreme Court erst kommende Woche im privaten Rahmen auf dem Nationalfriedhof in Arlington vorgesehen.
Die Verfassungsrichter werden vom Präsidenten nominiert und müssen durch eine einfache Mehrheit im Senat bestätigt werden.
Die Besetzung der freigewordenen Stelle im Obersten US-Gericht könnte einschneidende Folgen für die gesellschaftspolitische Ausrichtung des Landes haben. Von den neun Sitzen im Supreme Court werden nach Ginsburgs Tod nur noch drei von Liberalen gehalten, die fünf verbliebenen Richter gelten allesamt als konservativ. Mit Entscheidungen etwa zum Recht auf Abtreibung, zu Einwanderungsfragen oder zu Bürgerrechten könnte ein deutlich konservativeres Amerika entstehen. Da die Richter auf Lebenszeit ernannt werden, könnte Trump die konservative Mehrheit mit der Ernennung einer vergleichweise jungen Richterin auf Jahre oder gar Jahrzehnte hinaus zementieren.
Die Verfassungsrichter werden vom Präsidenten nominiert und müssen durch eine einfache Mehrheit im Senat - einer von zwei Kammern im Kongress - bestätigt werden. Am 3. November steht rund ein Drittel der 100 Senatssitze zur Wahl.
Trump zog am Montag Berichte in Zweifel, wonach Ginsburg als letzten Wunsch geäußert habe, dass ihre Nachfolge von einem neuen Präsidenten bestimmt werden solle. Trump sagte dem Sender Fox News, er wisse nicht, ob Ginsburg das tatsächlich gesagt habe oder dies von den seinen demokratischen Gegenspielern im Kongress formuliert worden sei. Ginsburgs Enkelin Clara Spera bestätigte dem britischen Rundfunksender BBC hingegen, dass ihre Großmutter ihr diktiert habe: »Mein inbrünstigster Wunsch ist, dass ich nicht ersetzt werde, bis ein neuer Präsident im Amt ist.«
Trump strebt eine rasche Neubesetzung an, um so die konservative Mehrheit im Supreme Court zu stärken.
Der Minderheitsführer der Demokraten im Senat, Chuck Schumer, forderte seinen republikanischen Gegenspieler McConnell dazu auf, Ginsburgs Wunsch zu respektieren. Schumer verwies darauf, dass McConnell im Wahljahr 2016 im Senat einen Kandidaten von Präsident Barack Obama für die Nachfolge des verstorbenen konservativen Verfassungsrichters Antonin Scalia blockiert hatte. McConnell hatte mehr als acht Monate vor der Wahl 2016 gesagt: »Das amerikanische Volk soll eine Stimme bei der Auswahl seines nächsten Supreme-Court-Richters haben, deshalb soll dieser Posten nicht besetzt werden, bis wir einen neuen Präsidenten haben.«
Trump strebt eine rasche Neubesetzung an, um so die konservative Mehrheit im Supreme Court zu stärken. Der Streit um die Nachfolge dürfte die heiße Phase des US-Wahlkampfs prägen. Trump warnte am Montag bei einer Wahlkampfveranstaltung: »Falls Joe Biden und die Demokraten an die Macht kommen, werden sie den Supreme Court voll mit Linksradikalen packen, die die amerikanische Gesellschaft einseitig bis zur Unkenntlichkeit verändern werden.« Trumps Anhänger skandierten »Fill the Seat« - auf Deutsch in etwa: Besetze den Sitz.