Riccardo Pacifici, der neue Präsident der Jüdischen Gemeinde Roms, hat das italienische Parlament aufgefordert, ein Gesetz zur Bestrafung von Schoa-Leugnern zu erlassen. Anlass zum Appell bot der jüngste Fall von Negazionismo in Italien. An der Universität von Teramo hatte der Politologieprofessor Claudio Moffa in einer Vorlesung den Holocaust infrage gestellt. Es gebe keinen Befehl Hitlers zum Judenmord. Der Holocaust sei eine »ideologische Waffe, dank der Israel einen Opferstatus erhalten« habe.
Gesetz Der Vorsitzende des Dachverbands jüdischer Gemeinden in Italien, Renzo Gattegna wertete die Äußerungen des umstrittenen Professors als »Affront gegen die NS-Opfer« und empfahl ihm einen Besuch der Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem. Pacifici nutzte Mitte Oktober den Jahrestag der Deportation der Juden aus dem römischen Ghetto zu seinem Appell an die Präsidenten von Kammer und Senat. Beide sicherten umgehend eine »bevorzugte Behandlung des entsprechenden Gesetzes« zu. Alle Parteien stimmten dem Anliegen Pacificis zu und erklärten sich bereit, einen entsprechenden Entwurf vorzulegen.
Innerhalb der jüdischen Gemeinden löste der Vorschlag jedoch lebhafte Diskussionen aus. Prominente jüdische Historiker wandten sich entschieden gegen Pacificis Anregung. Anna Foa lehnte sie in der Tageszeitung L’Avvenire als »Irrweg« ab. »In einer Demokratie ist die Zensur unliebsamer Äußerungen kein brauchbares Mittel, sie schafft lediglich Märtyrer.« Auf der Moked-Webseite der jüdischen Gemeinden warnte Davide Bidussa eindringlich: »Ein Gesetz gegen die Schoa-Leugnung ist weder eine intelligente noch eine weitsichtige Idee. Sie dient weder der Meinungsbildung noch der Formung eines bürgerlichen Gewissens.« Der in Turin lehrende Historiker Sergio Luzzatto vertritt die Überzeugung, der Negazionismo sei »ein kulturelles Übel, das nicht mit dem Strafgesetzbuch auszurotten ist«. Es mache keinen Sinn, historische Wahrheiten per Gesetz festzulegen.
Offensive An der Universität Teramo soll nun der Fakultätsrat über disziplinarische Maßnahmen gegen Professor Moffa entscheiden, der 2007 bereits wegen ähnlicher Äußerungen verwarnt worden ist. Zu den Gegnern eines Gesetzes gehört auch der Schriftsteller und Präsident der Jüdischen Gemeinde Venedigs, Amos Luzzatto: »Irrmeinungen können nur durch eine adäquate kulturelle Offensive bekämpft werden. Dazu gehört die Vermittlung eines differenzierten Israelbildes, das sich nicht ausschließlich an politischen Aspekten orientiert.«