Serbien

Recht und Moral

Blick über die Donau auf Serbiens Hauptstadt Belgrad Foto: Thinkstock

Heute ist ein historischer Tag für Gerechtigkeit, Moralität und für die Beziehungen zwischen Serben und Juden. Serbien soll künftig als Beispiel für andere europäische Länder gelten», hieß es kürzlich in einer enthusiastischen Mitteilung des israelischen Botschafters in Serbien, Yossi Levy. In der Tat bedeutet das vor einigen Wochen verabschiedete Restitutionsgesetz eine nachhaltige, wenn auch späte Regelung der Fragen rund um das während des Holocaust konfiszierte jüdische Eigentum. «Das neue Gesetz ist äußerst wichtig und sehr begrüßenswert», kommentiert auch Ruben Fuks, Vorsitzender des Verbands Jüdischer Gemeinden in Serbien.

Das Regelwerk sieht vor, dass die jüdischen Gemeinden in Serbien mehr als 3000 in den 40er-Jahren beschlagnahmte Immobilien erhalten, falls sie von den ursprünglichen Eigentümern oder ihren Nachfahren nicht beansprucht werden. Der Transfer soll innerhalb der nächsten drei Jahre vollständig abgewickelt werden.

Restitution Neben der Rückgabe sollen die jüdischen Gemeinden im Land eine jährliche Zusatzfinanzierung von knapp einer Million Euro erhalten. Damit zieht das Belgrader Parlament einen Schlussstrich unter ein mehrjähriges Verfahren, das bisher nur individuelle Restitutionen im Rahmen allgemeiner gesetzlicher Bestimmungen vorsah. Diese ermöglichten die Rückgabe von konfiszierten Immobilien an einzelne, jüdische wie nichtjüdische, ursprüngliche Eigentümer oder deren Nachfahren, wenn sie ihre Ansprüche belegen konnten.

Lange galt das Thema in Serbien, ähnlich wie in anderen osteuropäischen Ländern, als umstritten. Eine vergleichbare Regelung war etwa in Polen selbst vor dem Wahlsieg der rechtspopulistischen Partei «Recht und Gerechtigkeit» (PiS) nicht in Sicht. Auch in Kroatien oder Rumänien schreitet die Rückgabe des konfiszierten jüdischen Eigentums seit Jahren kaum voran.

EU-Beitritt Politische Kommentatoren sehen in der Entscheidung der serbischen Regierung eine der zahlreichen Gesten, die Ministerpräsident Aleksandar Vucic seit einiger Zeit macht, um den EU-Beitritt seines Landes zu beschleunigen. Serbien hat Ende vergangenen Jahres konkrete Beitrittsverhandlungen mit Brüssel aufgenommen und damit eine lange Wartezeit beendet, die von weiten Teilen der Bevölkerung als frustrierende Stagnation empfunden wurde. Doch die neue Aufbruchstimmung in Belgrad hat einen Preis: Serbien muss nicht nur wirtschaftliche Reformen durchsetzen, sondern auch Lösungen für politisch brisante Probleme finden, wie etwa die Beziehungen mit dem Kosovo, die grassierende Korruption oder eben auch ältere Fragen aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs.

Das heutige Gebiet des Landes, damals ein Teil des Königreichs Jugoslawien, wurde 1941 größtenteils von Nazi-Deutschland besetzt und in den drei darauffolgenden Jahren von einem Marionettenkabinett um den Hitler-Kollaborateur Milan Nedic regiert. Von den rund 33.000 Juden überlebten die Vernichtungskampagnen weniger als 20 Prozent. Allein im Belgrader Konzentrationslager Banjica wurden mehr als 24.000 Menschen inhaftiert und später abtransportiert und getötet.

Tito Heute leben in Serbien knapp 1000 Juden, ein Großteil davon in der Hauptstadt. Nach der Machtübernahme durch Titos Partisanen wurden einige Nazi-Kollaborateure verurteilt und hingerichtet. Nedic selbst starb 1946 in Untersuchungshaft unter nicht völlig geklärten Umständen. In einer offiziellen Erklärung gab man damals als Todesursache Suizid an. Der Verein der politischen Gefangenen und der Opfer des kommunistischen Regimes fordert seit einigen Jahren die Rehabilitierung dieser Kriegsverbrecher und versucht, die serbische Mitschuld am Holocaust zu relativieren.

Nachruf

Die Frau, die den Verschlüsselungscode der Nazis knackte

Im Zweiten Weltkrieg knackten die Briten in Bletchley Park den Verschlüsselungscode der Nazis. Eine der Frauen, die beim Entziffern feindlicher Nachrichten half, war Charlotte »Betty« Webb

von Julia Kilian  01.04.2025

Todestag

Wenn Worte überleben - Vor 80 Jahren starb Anne Frank

Gesicht der Schoa, berühmteste Tagebuch-Schreiberin der Welt und zugleich eine Teenagerin mit alterstypischen Sorgen: Die Geschichte der Anne Frank geht noch heute Menschen weltweit unter die Haut

von Michael Grau, Michaela Hütig  31.03.2025

Interview

»Es ist sehr kurz vor zu spät«

Für eine »Restabilisierung« der Gesellschaft und die Verteidigung der Demokratie bleiben höchstens fünf Jahre Zeit, warnt Michel Friedman

von Steffen Grimberg  28.03.2025

Imanuels Interpreten (7)

Peter Herbolzheimer: Der Bigband-Held

Der jüdische Posaunist, Komponist, Arrangeur, Bandleader und Produzent rettete Bigbands, gründete seine eigene und wurde Jazz-Rock-Pionier

von Imanuel Marcus  27.03.2025

Irak/Iran

Die vergessene Geisel

Seit zwei Jahren befindet sich Elizabeth Tsurkov in der Gewalt einer pro-iranischen Terrormiliz. Nun sorgt Druck aus Washington für Bewegung

von Sophie Albers Ben Chamo  24.03.2025

Schweiz

Trauer um eine »Macherin«

Die Zürcher Verlegerin und Mäzenin Ellen Ringier ist im Alter von 73 Jahren verstorben. Ein Nachruf

von Peter Bollag  24.03.2025

New York

Von Gera nach New York

Der Journalist Max Frankel, früherer Chefredakteur der New York Times, ist tot. Er wurde 94 Jahre alt

 24.03.2025

New York

Für immer Carrie: Sarah Jessica Parker wird 60

Als Sex-Kolumnistin Carrie Bradshaw in »Sex and the City« wurde Sarah Jessica Parker zum Weltstar. Jetzt feiert »SJP« ihren runden Geburtstag

von Christina Horsten  24.03.2025

Orléans

Rabbiner geschlagen und gebissen

Der Täter flieht, wenig später wird ein junger Verdächtiger festgenommen – Präsident Macron verurteilt Angriff auf Rabbiner

 23.03.2025 Aktualisiert