Es sind ungewöhnliche Szenen, die sich am Montagmorgen in dem schmucken Gebäude am 770 Eastern Parkway im New Yorker Stadtteil Brooklyn abspielten. Rund ein Dutzend junger Männer, Angehörige der Chabad-Lubawitsch-Bewegung, sitzen in einem recht engen Tunnel, der in einer Synagoge endet, und weigern sich herauszukommen. Sie werden von zahlreichen anderen Juden angeschrien.
Die herbeigerufene New Yorker Polizei muss eingreifen, um die Lage wieder unter Kontrolle zu bringen und zu ermöglichen, dass der Tunnel wie geplant geschlossen werden kann. Nach Angaben der Nachrichtenseite »CrownHeights.info« nimmt die Polizei zehn Personen vorübergehend in Gewahrsam.
Auf einem Video ist zu sehen, wie mehrere orthodoxe Juden mit Kabelbindern gefesselt von Polizisten aus dem Gotteshaus geführt werden, unter dem Gebrüll der übrigen Anwesenden.
Auf anderen im Internet veröffentlichten Bildern gleicht die Synagoge einem Schlachtfeld. Eine Holzvertäfelung ist weggerissen. Hinter einer rund einen Meter hohen Betonmauer ist ein Hohlraum zu sehen, in dem mehrere junge Männer kauern. Es handelt sich um den Einstieg zu einem erst Anfang Dezember entdeckten Geheimgang, der anscheinend von einer ehemaligen Chabad-Mikwe ein paar Häuser weiter zur Synagoge hin gegraben worden war.
Das von vielen ehrfürchtig nur »770« genannte Gebäude diente einst als Wohnhaus von Rabbiner Joseph Isaac Schneersohn (1880–1950), auch bekannt als »Rebbe Rayatz«. In den 20er-Jahren war Schneersohn ein jüdischer Dissident in der Sowjetunion.
Aus dem nach Beginn des Zweiten Weltkrieges von Deutschen besetzten Warschau konnte er über Umwege in die USA fliehen, wo er im März 1940 eintraf. Er war sechstes Oberhaupt der Chabad-Bewegung, die mittlerweile ihr »World Headquarters« in »770« hat. Auch das siebente und bisher letzte Chabad-Oberhaupt Menachem Mendel Schneerson (1902–1994) arbeitete in diesem Haus.
Warum ausgerechnet zwischen der ehemaligen Mikwe, die ausweislich eines auf Instagram veröffentlichten Videos mittlerweile als Rumpelkammer benutzt wird, und dem Betsaal ein Tunnel gegraben wurde, ist bislang nicht klar. Seit einiger Zeit gibt es wohl Streit darüber, wer in der Synagoge das Sagen hat.
Ein Chabad-Sprecher erklärte auf X (ehemals Twitter), »Extremisten« hätten die vorübergehende Schließung des Gebäudes erzwungen, was für die Lubawitsch-Bewegung »sehr beunruhigend« gewesen sei. »Wir hoffen und beten, dass wir die Heiligkeit und den Anstand dieses heiligen Ortes schnell wiederherstellen können«, schrieb Rabbiner Motti Seligson.
Und auch ein wichtiger Funktionär der weltweit sehr aktiven chassidischen Bewegung, der 90-jährige Rabbiner Yehuda Krinsky, meldete sich mit einer Stellungnahme zu Wort. »Diese abscheulichen Taten werden untersucht, und die Heiligkeit der Synagoge wird wiederhergestellt werden«, erklärte der Vorsitzende der Chabad-Headquarters in 770 Eastern Parkway und dankte der New Yorker Polizei ausdrücklich »für ihre Professionalität und ihr Einfühlungsvermögen.« mth