Am 24. Juni blickte die ganze Welt gebannt auf die Rebellion der Wagner-Gruppe mit Jewgeni Prigoschin an der Spitze. Prigoschins »Marsch der Gerechtigkeit« wird als eine präventive Aktion gegen die Neutralisierung seiner Privatarmee dargestellt, welche Prigoschins Rivale, Verteidigungsminister Sergej Schoigu, geplant haben soll.
Kurz vor Moskau zieht Prigoschin seine Leute aber überraschend zurück. In die Geschichte wird diese Rebellion wohl als eine groteske Meuterei mitten im Ukraine-Krieg eingehen, die dem System Putin einen brutalen Schlag verpasste.
verräter Prigoschin wird in diesen Tagen von vielen Russen gefeiert. Die russische Propaganda verteufelt ihn hingegen als Verräter und bringt ihn mit ausländischen Feinden in Verbindung. Hinter Prigoschin vermutet man die USA, Großbritannien und möglicherweise »ein Land im Nahen Osten«, also Israel. Der jüdische Staat? Wer sonst!
Hinter Prigoschin vermutet man »ein Land im Nahen Osten«, also Israel.
Prigoschins jüdische Wurzeln sind in Russland ein offenes Geheimnis. Politische Gegner mit ultranationalistischem Hintergrund arbeiten sich fleißig an seiner Herkunft ab. Obschon »Vaterjude« Prigoschin seine Familiengeschichte nicht verheimlicht, scheint er keine jüdische Identität zu haben. Jedoch gehörte immerhin ein jüdisches Restaurant zu seinem Gastronomieunternehmen, das er in Sankt Petersburg aufgebaut hat.
Zerstörer In dieser Stadt kreuzten sich auch die Wege zweier Männer, die beinahe drei Jahrzehnte ein sehr enges Verhältnis hatten. Während der einstige KGB-Offizier Wladimir Putin eine rasante Karriere in der Petersburger Stadtverwaltung und später in Moskau machte, verdankte der frühere Kriminelle Prigoschin seinen Aufstieg nicht zuletzt dem mächtigen Patron.
In diesen Tagen lassen sich beide, Putin und Prigoschin, als »Russlands Retter« feiern. Retter sind sie jedoch beide nicht. Sie sind vielmehr Pest und Cholera der russischen Politik – die Zerstörer von Gegenwart und Zukunft dieses Landes.
Der Autor ist Historiker und lebt in Düsseldorf.