»Wir wissen immer noch nicht, wie viele Menschen in der Pandemie gestorben sind. Nach Angaben der Vereinten Nationen waren es zwischen 6 und 10 Millionen Menschen. Das sind ein bis zwei Holocausts; das sind sehr viele Menschen. Es ist eine ungeheure Tragödie.«
Mit diesem Vergleich hat Argentiniens Präsident Alberto Fernández bei einer Pressekonferenz in Buenos Aires Ende letzter Woche für Verärgerung und Irritation bei jüdischen Verbänden gesorgt.
KRITIK Es war nicht das erste Mal, dass der linksgerichtete Präsident sich so äußerte. Im Mai hatte Fernández bereits die Corona-Toten mit dem Holocaust in Bezug gestellt, was schon damals auf Kritik stieß. »Wir haben eine Pandemie erlebt, bei der mehr als sechs Millionen Menschen gestorben sind, fast so viele wie im Holocaust«, hatte er gesagt.
Der argentinische jüdische Gemeindebund DAIA verurteilte die Äußerungen des Staats- und Regierungschefs. »Einmal mehr hat die argentinische Regierung zum Abschluss des CELAC-Gipfels die Pandemie und ihre verheerenden Auswirkungen mit der einzigartigen und unvergleichlichen Tragödie des Holocausts verglichen«, so die DAIA in einer Erklärung. Die »systematische Ermordung von sechs Millionen Juden« durch die Nationalsozialisten könne und dürfe aber nicht mit anderen Situationen heute gleichgesetzt werden.
DAIA-Präsident Jorge Knoblovits sagte dem Sender »CNN Radio« am Donnerstag: »Dieser Vergleich, diese Verharmlosung der Pandemie und der Schoa, ist keine Kleinigkeit. Das Virus ging nicht von Gebäude zu Gebäude und suchte sich so seine Opfer aus. Noch suchte es sich Opfer aus, um sie in ein Konzentrationslager zu bringen, und dort Mütter und Kinder zu trennen und sie dann in eine Gaskammer zu stecken. Das scheint mir extremer Blödsinn zu sein«, sagte er.
Der jüdische Kongress-Abgeordnete Waldo Wolff wies die Worte von Fernández ebenfalls zurück. »Aus Unwissenheit oder in böser Absicht beleidigt er das Andenken an die Opfer«, sagte Wolff.
NISMAN Und noch eine Aussage des Staatspräsidenten löste bei jüdischen Organisationen Verstimmung aus. In einem Fernsehinterview am Mittwoch behauptete Fernández, der im Januar 2015 in seiner Wohnung tot aufgefundene Staatsanwalt Alberto Nisman – der den Terroranschlag auf das jüdische Gemeindezentrum AMIA/DAIA in Buenos Aires im Juli 1994 untersuchte und brisante Dokumente veröffentlichen wollte, die auch die damalige Staatspräsidentin Cristina Fernández de Kirchner (eine Parteifreundin des amtierenden Präsidenten) belastet hatten – habe Selbstmord begangen. Nach einer längeren Untersuchung des Todesfalls kam die Justiz 2017 zu dem Schluss, dass Nisman ermordet wurde.
Knoblovits bezeichnete Fernández‹ Äußerungen als falsch und sprach von einer »Unverschämtheit, wie man sie in Argentinien selten sieht.«