Seit Mitte der Woche können Besucher im Foyer der ungarischen Botschaft in Berlin eine Ausstellung zur Geschichte der Schoa in Ungarn sehen. Zusammengestellt hat sie das Holocaust-Gedenkzentrum Budapest. Sieben Vitrinen und sieben Tafeln – selten ist eine derart kleine Ausstellung so groß eröffnet worden. Rund 100 Gäste, darunter etliche Bundestagsabgeordnete, kamen am Donnerstag in die ungarische Vertretung Unter den Linden; es gab ein Mittagsbüfett, und es wurden Reden gehalten.
»Wir wollen ein Signal setzen«, sagte Ungarns Botschafter József Czukor in seiner Ansprache. Die »Problematik des Antisemitismus« sei ein wichtiges Thema. »Aber es stört uns, dass wir nicht gefragt werden, wenn darüber diskutiert wird.«
Minderheiten Seit vor zwei Jahren Viktor Orbans nationalkonservative Fidesz-Partei an die Macht kam, werden in Ungarns Politik und Gesellschaft autoritäre Strukturen aufgebaut, das Land rückt patriotisch zusammen. Anfang des Jahres trat eine neue Verfassung in Kraft, viele fürchten, dass der Rechtsstaat allmählich ausgehebelt wird. Für Minderheiten hat sich die Lage im Land verschlechtert. Manche Juden denken inzwischen darüber nach, Ungarn zu verlassen.
Botschafter Czukor zeichnete am Donnerstag ein anderes Bild: Er sprach von der »großen jüdischen Minderheit, die Ungarn bereichert. Das ist ein wunderschönes, buntes Leben, was sie dort erleben können«. Natürlich gebe es Probleme, schränkte er ein, die müsse man beseitigen.
Demokratie sei kein Geschenk, man müsse sie sich jeden Tag erkämpfen, betonte Siegfried Kauder (CDU), der Vorsitzende des Rechtsausschusses des Bundestages, in seiner Ansprache. »Wir müssen dafür sorgen, dass sich die jüdische Bevölkerung überall wohlfühlt, auch in Ungarn.«
marschierende horden Im anschließenden Podiumsgespräch versuchte Szabolcs Szita, seit 2011 Direktor des Holocaust-Gedenkzentrums in Budapest, das Ungarnbild zurechtzurücken. Man müsse sich heute nicht fürchten, Jude zu sein, sagte er, »selbst wenn es marschierende Horden gibt, die versuchen, Juden in Angst und Schrecken zu versetzen«. Es sei genügend Kraft in der ungarischen Gesellschaft vorhanden, dem entgegenzutreten. Szita bat um Verständnis: »Wir hatten ja viele Jahre keine Demokratie. Wir müssen das noch lernen.«
Gert Weisskirchen, ehemaliger außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, der neben Szita auf dem Podium saß, pflichtete ihm bei. Er beobachte in Ungarn derzeit eine »nachholende innere Selbstverständigung«, sagte er euphemistisch.
In dieser Situation setze er großes Vertrauen in die Zivilgesellschaft. Die jüdische Gemeinde in Ungarn sieht Weisskirchen dabei vor einer großen Aufgabe: Sie könne »Anstifter werden für eine offene Debatte«, sagte er. Das werde nicht ohne Konflikte gehen, »aber die brauchen wir, damit wir diese Kräfte gemeinsam besser bekämpfen können«.
Die Ausstellung ist in der Botschaft von Ungarn zu sehen:
Unter den Linden 76, 10117 Berlin
Weitere Informationen unter:
www.mfa.gov.hu/kulkepviselet/de/de