Italien

Populist und Israel-Freund

Silvio Berlusconi (1936–2023) Foto: Flash 90

Silvio Berlusconi ist am Montag im Alter von 86 Jahren in Mailand gestorben. Der Unternehmer stand von 1994 bis 2011 an der Spitze von vier italienischen Regierungen. Gezeichnet von Gerichtsprozessen, Skandalen und gesundheitlichen Problemen wurde er 2013 wegen eines Steuerhinterziehungsurteils aus dem Senat ausgeschlossen.

Im September 2022 wurde er zwar erneut Senator, doch sein Stern sank endgültig, als Giorgia Meloni die Regierung übernahm. Berlusconi gilt als der erste große Populist: sehr beliebt, aber auch verabscheut; Wahlgewinner, aber unduldsam gegenüber den demokratischen Mechanismen des Machtausgleichs.

Berlusconi nahm Italien deutlich für Israel ein. Die Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Rom, Ruth Dureghello, erkennt an, dass es mit ihm einen Paradigmenwechsel in den bilateralen Beziehungen gegeben hat. In der sogenannten ersten italienischen Republik war Israel lediglich von einigen kleineren Parteien unterstützt worden, die Mehrheit jedoch blieb pro-arabisch. Dureghello erklärt: »Ich bin traurig über den Tod von Silvio Berlusconi. Er war ein großer Freund des jüdischen Volkes und Israels.«

YAD VASHEM Im Februar 2010 besuchte Berlusconi die israelische Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem. Er war der erste italienische Politiker, der sich an die Knesset wenden durfte. Er wünschte sich, dass Israel zur Europäischen Union gehören möge, und drückte wiederholt seine Sympathien für den jüdischen Staat aus.

So sagte er im Oktober 2015: »Die Verteidigung Israels ist heute mehr denn je die Verteidigung der Demokratie, des religiösen und zivilen Pluralismus.« Ähnliche Aussagen waren auch im Januar 2018 und im November 2019 von ihm zu hören, als er daran erinnerte, dass seine Mutter als Schwangere ihr Leben riskiert hatte, um eine jüdische Frau zu retten, die ins KZ deportiert werden sollte.

Berlusconi war ein hervorragender Kommunikator und ein Charmeur der Massen, aber er drückte sich oft auch sehr unpassend aus. Dafür erntete er aus den jüdischen Gemeinden viel Kritik. Im Januar 2013, als er – ohne Einladung – am Gedenktag an die Oper des Holocaust in Mailand zur Eröffnung des »Memoriale della Shoa Binario 21« erschien, relativierte er gegenüber Journalisten die historische Verantwortung Mussolinis. »Die Rassengesetze waren schlimmste Fehler«, sagte er – aber Mussolini hätte »in vielerlei Hinsicht Gutes getan«. Laut Berlusconi habe Italien den Nazis folgen müssen, um sie nicht als Feinde zu haben.

Der damalige Chef der Unione delle Comunità Ebraiche, Renzo Gattegna, erklärte, dies entbehre jeglicher historischen Grundlage, »die Verfolgung und die Gesetze gegen die Juden in Italien wurden eigenständig umgesetzt, unter voller Verantwortung des faschistischen Regimes«.

POLEMIK Im November 2013 führte eine Antwort Berlusconis in einem Buch des Fernsehjournalisten Bruno Vespa zu weiterer Polemik. Auf die Frage, ob es stimme, dass ihm seine Kinder nach dem Urteil wegen Steuerhinterziehung suggeriert haben, alles zu verkaufen und wegzuziehen, meinte Berlusconi: »Meine Kinder sagen, dass sie sich fühlen, wie sich die jüdischen Familien in Deutschland unter Hitler gefühlt haben müssen.«

Gattegna protestierte. Dies sei eine »Beleidigung von Millionen Ermordeten«. Berlusconi verteidigte sich: »Meine Freundschaft gegenüber Israel, mein kohärentes staatliches Handeln können keine Zweifel über meine Gewissheit der Tragödie des Holocaust und meinen Respekt für das jüdische Volk zerstreuen.«

Doch Zweifel an Berlusconis Aufrichtigkeit blieben. Italien debattierte jahrelang über seinen Interessenkonflikt als Manager und Politiker, peinliche Statements oder die Bunga-Bunga-Partys. In seiner Partei ließ er keine Nachfolger emporkommen. Stattdessen machte er die Lega und die post-faschistische Alleanza Nazionale salonfähig, die heute als Fratelli d’Italia an der Regierungsspitze stehen.

Chabad

Gruppenfoto mit 6500 Rabbinern

Tausende Rabbiner haben sich in New York zu ihrer alljährlichen Konferenz getroffen. Einer von ihnen aber fehlte

 02.12.2024

Marokko

Drahtseilakt

Das Land ist Heimat der größten jüdischen Gemeinschaft in der arabischen Welt. Wie erlebt sie die Folgen des 7. Oktober 2023?

von Ralf Balke  01.12.2024

Schweiz

Säkularisierungstrend in der Schweiz - Stabile Zahlen in der jüdischen Gemeinschaft

Die Zahl religiöser Gruppen in der Schweiz sinkt. In der jüdischen Gemeinschaft sind die Zahlen konstant

 29.11.2024

Großbritannien

Über den eigenen Tod selbst bestimmen?

Ein Gesetzentwurf soll die Sterbehilfe ermöglichen. Das führt zu Diskussionen, auch innerhalb der jüdischen Gemeinschaft

von Daniel Zylbersztajn-Lewandowski  29.11.2024

USA

Junger Israeli in Memphis erschossen - Eltern vermuten Hassverbrechen

Die Polizei geht von Raubmord aus, doch die Eltern des Opfers vermuten ein anderes Motiv

 29.11.2024

USA

Frum auf High Heels

Die Influencerin Ellie Zeiler jettet um die Welt – neuerdings auch mit Siddur im Gepäck. Millionen verfolgen in den sozialen Medien, wie die junge Frau die Religion für sich entdeckt

von Nicole Dreyfus  28.11.2024 Aktualisiert

Mexiko

Präsidentin Sheinbaum droht Trump mit Reaktion auf Sonderzölle

In einem offenen Brief verteidigt Sheinbaum die von Mexiko betriebene Migrationspolitik

 27.11.2024

Dubai

Emirate melden Festnahmen im Mordfall eines Rabbiners

Israels Außenministerium spricht von einem antisemitischen Terrorakt

von Arne Bänsch  24.11.2024

Osteuropa

Mehr Schein als Sein

Länder wie Polen, Litauen oder Ungarn geben sich derzeit als besonders israelfreundlich und sicher für Juden

von Alexander Friedman  24.11.2024