Was die Amsterdamer »Stopera« nennen, ist ein Gebäudekomplex im Herzen der Stadt. Gemeinhin gilt Stopera als Kürzel für Stadhuis (Rathaus) und Opera (Oper). Als das Bauwerk in den 80er-Jahren auf den Resten des alten jüdischen Viertels auf der künstlichen Insel Vlooienburg errichtet werden sollte, waren viele Amsterdamer dagegen. Der Begriff Stopera brachte den Unmut auf einen Nenner: Stop Opera – Stopt die Oper.
Die Stopera wurde trotzdem gebaut, aber jetzt gibt es Ideen, mittels eines Pilotprojekts das, was Vlooienburg einmal war – das Herz der jüdischen Gemeinschaft Amsterdams –, neu ins Licht zu rücken.
»Das Projekt ist eine Koopperation der Stadt Amsterdam, der Universität und des Jüdischen Kulturellen Viertels«, erklärt Julia van der Krieke, Projektleiterin und Postdoktorandin im Fach Jüdische Studien. Sie koordiniert das Ganze nicht nur, sondern schreibt auch an einer wissenschaftlichen Arbeit über die gesellschaftliche Stellung der ersten jüdischen Gemeinschaft auf Vlooienburg in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts.
ENTSTEHUNG Die Insel war ab etwa 1590 aufgeschüttet worden, als die Bevölkerung Amsterdams rasant wuchs und man neuen Wohnraum benötigte. Hier fanden unter anderem Juden aus Osteuropa, auf der Flucht vor Pogromen, eine sichere Bleibe und brachten nebenbei eine neue Tradition mit: das Einlegen von Gurken und Zwiebeln. Damit und mit handwerklichen Arbeiten kamen sie jahrhundertelang über die Runden, mehr recht als schlecht, denn Vlooienburg ist immer ein dürftiges Viertel geblieben.
Trotzdem oder gerade deshalb war die jüdische Seele der Stadt gerade hier zu Hause. Die Schoa setzte dem ein jähes Ende. Die Bewohner wurden deportiert, und nur die wenigsten kehrten zurück. Im letzten Kriegswinter – es gab kaum Holz und Kohle – entnahmen die Nachbarn aus den leer stehenden und heruntergekommenen Häusern alles, was brennbar war, und beheizten die eigenen vier Wände. Mehr als 30 Jahre später wurde dann die Stopera gebaut, und von den architektonischen Zeugnissen der jüdischen Geschichte Vlooienburgs blieb nichts mehr übrig.
Dem wollte Bart Wallet, Professor für Jüdische Studien an der Universität von Amsterdam und Initiator des Projekts, entgegensteuern. Er kam auf die Idee, disziplinübergreifend zusammenzuarbeiten und so verschiedene Sammlungen – zum Beispiel die des Jüdischen Museums – und bereits vorhandene Kenntnisse zu bündeln.
Geschichte »Es ist natürlich schwierig, die ganze Geschichte Vlooienburgs zu rekonstruieren, denn sie umspannt rund 350 Jahre. Das ist auch nicht unser Anliegen«, sagt van der Krieke. »Die drei Instanzen, die in diesem Pilotprojekt zusammenarbeiten, möchten auf unterschiedliche Weise die Vergangenheit der jüdischen Gemeinschaft auf Vlooienburg herausstellen, zum Beispiel durch Kulturveranstaltungen, Podcasts, eine App, Ausstellungen und mehr. Wir wollen hineinzoomen in Individuen, Geschehnisse, jüdische Feiertage, auf alles, was Amsterdamer und Besucher interessiert.«
Eine Idee sei, »etwas mit Spinoza zu machen«, dem wohl berühmtesten niederländischen Philosophen. Seine Familie lebte an einer Gracht mit Blick auf Vlooienburg. Dort hat er seine Ideen entwickelt, und da sprachen die Rabbiner den Bann über ihn aus, denn er war Freidenker. Spinoza zog weg und kehrte nie wieder zurück. Eine Statue in der Nähe der Stopera erinnert an ihn.
Es gibt genügend Anhaltspunkte, um die Geschichte Vlooienburgs hervorzuheben und der Bevölkerung Amsterdams sowie Touristen die jüdische Geschichte nahezubringen. Jeder ist zum Mitdenken eingeladen. Projektleiterin Julia van der Krieke hofft auf viele E-Mails mit Anregungen.
j.c.vdkrieke@uva.nl