Italien

»Plumpe Geschichtsfälschung«

Ein Fernsehfilm über Papst Pius XII. erregt die jüdischen Gemeinden

von Gerhard Mumelter  09.11.2010 15:42 Uhr

Bleibt umstritten: Papst Pius XII. Foto: JA

Ein Fernsehfilm über Papst Pius XII. erregt die jüdischen Gemeinden

von Gerhard Mumelter  09.11.2010 15:42 Uhr

Ein Anfang November von der ARD und dem italienischen Staatsfernsehen RAI ausgestrahlter Spielfilm über Pius XII. (Eugenio Pacelli) hat in Italien heftige Kritik ausgelöst. Der römische Oberrabbiner Riccardi Di Segni sprach von einer »plumpen Geschichtsfälschung« und einem »Propagandafilm« zur Reinwaschung des umstrittenen Papstes. »Die Fälschungen, Auslassungen und unkritischen Szenen lassen sich gar nicht zählen«, erregte sich Di Segni. Der Film mit dem Titel Unter dem Himmel Roms (deutsch: Pius XII.), der unter anderem die Razzia der SS im Ghetto der italienischen Hauptstadt schildert, hatte mit fast fünf Millionen Zuschauern im Abendprogramm der RAI eine hohe Einschaltquote zu verzeichnen. In der ARD sahen knapp drei Millionen Zuschauer den Film.

Der Präsident der jüdischen Gemeinde Roms, Riccardo Pacifici, forderte das öffentlich-rechtliche Fernsehen zur »Wiedergutmachung« auf: »Der Schaden ist zwar bereits angerichtet, aber wir würden uns über einen Dokumentarfilm der RAI freuen, der ebenso den Ansichten der Juden Rechnung trägt.« Auch der Präsident der italienischen Rabbinerkonferenz, Elia Richetti, ging mit dem Film hart ins Gericht: »Wenn es die Absicht der Autoren war, den Papst von jeder Schuld freizusprechen, ist ihr Anliegen gründlich misslungen.« Vor allem die »unglaubliche Oberflächlichkeit« sei beeindruckend. Der Film beleuchte das Verhältnis zwischen Juden und Katholiken »aus postkonziliarer Sicht«.

Die Vatikanzeitung Osservatore Romano reagierte erstaunt über die »gnadenlose« Kritik von jüdischer Seite. Der bekannte katholische Publizist Vittorio Messori, der beste Beziehungen zum Vatikan pflegt, sprach von »wachsendem Unbehagen« in der katholischen Kirche: »Im Volk der Pfarreien, aber auch in der kirchlichen Hierarchie wächst das Unverständnis für die Sturheit, mit der einige Kreise der jüdischen Welt Pius XII. anzuschwärzen versuchen – trotz der Unzahl von Dokumenten und Zeugnissen zu seinen Gunsten.« Messori erinnert daran, dass »Dutzende amerikanischer Rabbiner« sich in einer Botschaft an Benedikt XVI. von dieser hauptsächlich in Europa betriebenen Kampagne distanziert hätten.

Eigentliche Absicht des umfangreichen Corriere-Artikels ist es, die bevorstehende Seligsprechung von Eugenio Pacelli anzukündigen: »Proteste und Beschimpfungen sind sinnlos: Die Causa Pacelli ist abgeschlossen und harrt nun ihrer göttlichen Bestätigung.« Im Text wird bereits das offizielle Gebet zur Seligsprechung vorgestellt, das vom Liturgieprofessor Nicola Bux verfasst und vom Präsidenten der italienischen Bischofskonferenz, Kardinal Angelo Bagnasco, »handschriftlich gegengezeichnet« sei.

Das »Komitee Papa Pacelli«, das sich für die Seligsprechung Pius XII. einsetzt, habe mit der Verteilung des Gebetstextes bereits begonnen, so Messori. Die »Tugendhaftigkeit« des Papstes sei bereits 2007 von der zuständigen Kongregation einstimmig bestätigt worden. Benedikt XVI., »der Pacelli nicht nur als Person, sondern auch als Theologen hoch schätze«, habe seine endgültige Unterschrift nur deshalb aufgeschoben, weil er auf eine Gefahr für den christlich-jüdischen Dialog hingewiesen worden sei. Die vom Papst angeordneten zusätzlichen Recherchen in den Archiven seien längst abgeschlossen und hätten ein eindeutiges Ergebnis erbracht.

Österreich

ÖVP offen für Koalitionsgespräche mit FPÖ

Monatelang hatte die konservative ÖVP versucht, eine Regierung ohne die rechte FPÖ zu bilden. Nun schwenkt die ÖVP um

 05.01.2025

Washington

George Soros erhält die höchste Auszeichnung der USA

Kurz vor Ende seiner Amtszeit verteilte US-Präsident Biden noch 19 Freiheitsmedaillen. Eine davon erhielt der Milliardär George Soros, eine weitere Modeschöpfer Ralph Lauren

 05.01.2025

Porträt

Liebe ohne Grenzen

Beatrice Wyler und Geri Naphtaly leben in einem Heim für Menschen mit geistiger Behinderung. Nach Widerstand von Familie und Behörden konnten sie vor anderthalb Jahren heiraten. Eine Begegnung in Zürich

von Nicole Dreyfus  04.01.2025

New York

»Katz’s Delicatessen« wird barrierefrei

Die Betreiber stimmen einem Vergleich zu, nachdem sie verklagt worden waren. Stein des Anstoßes: fehlende Barrierefreiheit

 03.01.2025

Erinnerung

»Auschwitz ist viel näher, als es scheint«

Sechs Jahre Propaganda habe es von Hitlers Machtübernahme bis zum Zweiten Weltkrieg gebraucht. Heute sei viel weniger Vorbereitungszeit nötig, bis eine Gesellschaft zu solchen Taten bereit sei, warnt Piotr Cywinski

von Inga Kilian  03.01.2025

Gran Canaria

Israelische Flagge vor Basketballspiel verbrannt

Knapp zwei Monate nach dem Angriff auf israelische Fußballfans in Amsterdam, machen antiisraelische Aktivisten in Las Palmas Stimmung gegen ein anreisendes israelisches Basketballteam

 02.01.2025

Nachruf

Ein Leben für die Gymnastik

Ágnes Keleti widmete ihr Leben der Gymnastik. Den Zweiten Weltkrieg überlebte sie, indem sie sich als Christin ausgab

 02.01.2025

Niederlande

Niederlande öffnen Archiv über Nazi-Kollaboration der Öffentlichkeit

Hunderttausende Niederländer arbeiteten mit den Nazis zusammen. 80 Jahre nach Weltkriegsende soll Aufklärung möglich werden

 01.01.2025

Rumänien

Junge Demokratie auf dem Prüfstand

Rechtsextreme Kräfte stellen bereits ein Drittel der Parlamentsabgeordneten – die jüdische Gemeinschaft ist alarmiert

von György Polgár  01.01.2025