Eine deutliche Mehrheit der niederländischen Zweiten Kammer steht hinter einem Gesetzesantrag, der Schlachten ohne Betäubung verbietet. Dies wurde in einer Debatte am Mittwoch deutlich, in der die Abgeordneten sich über eine Initiative der Partij voor de Dieren (PvdD) berieten. Linke und liberale Oppositionsparteien wie Sozialisten, Groen Links und Democraten66 befürworten den Antrag ebenso wie die antiislamische Freiheitspartei von Geert Wilders. Mehrheitsfähig wird das Vorhaben aber erst durch die Sozialdemokraten, die Anfang April ihre Zustimmung ankündigten. Christdemokraten und calvinistische Parteien sind aus Gründen der Religionsfreiheit weiterhin gegen ein Verbot.
Protest Bislang genossen jüdische und muslimische Schlachter eine Ausnahmestellung. In einem offenen Brief an die Fraktionsvorsitzenden der Parteien kündigten Vertreter beider Religionen an, ihren Protest gegen das »populistische« Gesetz notfalls bis vor den Europäischen Menschenrechtshof zu tragen. Dem Parlament warfen sie Symbolpolitik »auf dem Rücken von Muslimen und Juden« vor. Angesichts der Bedingungen von Massentierhaltung sei es »scheinheilig«, sich am Ende ihres Lebens um das Wohlergehen der Tiere zu sorgen.
Am Tag vor der Debatte hielten Rabbiner aus den Niederlanden, Belgien, Frankreich und den USA eine Pressekonferenz am Flughafen Schiphol. Dort richteten sie einen dringenden Appell an die niederländische Tradition der Religionsfreiheit. »Wir sind hier seit 400 Jahren. Sie hießen die Juden willkommen, Sie öffneten uns Ihre Arme, Sie sind unsere Bastion. Wir hätten nie erwartet, dass in den Niederlanden, dem Land der Freiheit, unsere Religion diskriminiert würde«, so der Amsterdamer Oberrabbiner Aryeh Ralbag.
Debatte Das Parlament beschloss unterdessen, vor einer Entscheidung eine Hörsitzung mit jüdischen und muslimischen Experten zu halten. Kommende Woche will die Zweite Kammer die Debatte fortsetzen, Ende April könnte die Abstimmung erfolgen. Abraham Foxman, Direktor der Anti Defamation League (ADL), befürchtet im Fall einer Annahme des Gesetzes eine Signalwirkung. »Man kann annehmen, dass dadurch Tierrechtsaktivisten ermutigt werden, auch bei anderen europäischen Parlamenten für vergleichbare Maßnahmen zu werben. Die Möglichkeit eines Domino-Effekts sollte nicht unterschätzt werden.«
Im Nachbarland Belgien formiert sich zur Zeit vor allem auf der rechten Seite des Parteienspektrums Unterstützung für ein Verbot rituellen Schlachtens. Strategisch richtet sich dieses vor allem gegen das muslimische Halal-Schlachten. Die Schechita wäre davon gleichsam betroffen.