Am vergangenen Sonntag hat die jüdische Gemeinde in Paris des Anschlags auf die Synagoge in der Rue Copernic, bei dem 1980 vier Menschen ums Leben kamen und 46 weitere verletzt wurden, gedacht. Vor dem Hintergrund aktueller Terrorwarnungen in Europa gibt dieser Jahrestag der französischen Regierung um so mehr Anlass zu erhöhter Alarmbereitschaft. So wurden noch am Dienstagnachmittag elf mutmaßliche Terroristen festgenommen.
gedenken Dutzende Persönlichkeiten aus der jüdischen Gemeinschaft und der Politik haben sich an diesem 3. Oktober vor der Hausnummer 24 in der Rue Copernic in unmittelbarer Nähe der Champs-Elysées versammelt, um der Opfer des Attentats zu gedenken. Unter ihnen waren Premierminister François Fillon, der Vorsitzende des Dachverbands der jüdischen Organisationen (CRIF), Richard Prasquier, Großrabbiner Gilles Bernheim und die Schriftstellerin Simone Veil.
Während Fillon in seiner Rede betonte, dass Frankreich nach wie vor mobilisiert sei und die Polizeikräfte im Einsatz blieben, um jüdische Einrichtungen so gut es geht zu schützen, wünschte sich Großrabbiner Bernheim vor allem eines: Normalität. »Was sich seit 1980 nicht geändert hat, ist, dass Synagogen und andere jüdische Stätten unter besonderem Schutz stehen.« Der Geistliche bedauerte dies mit der Begründung, dass sich die Juden nach Normalität und und dem Ende jeder Art von Gewalt sehnen.
Dies hört man auch in der Gemeinde. Der 28-jährige Samuel Alamy etwa hat es satt, dass vor der Großen Synagoge ständig weiße Polizeibusse stehen und Polizisten in blauer Montur vor dem Eingang patroullieren. »Aber ich kann das natürlich verstehen, denn der Terrorgefahr möchte man sich auch nicht schutzlos aussetzen«, erklärt er und fügt hinzu: »Immerhin ist es nicht überall so. Die Große Synagoge ist im Vergleich zu den anderen schon eine Ausnahme.«
polizei In der Tat erhält nicht jede Synagoge den gleichen Schutz. Dafür stehen die finanziellen Mittel gar nicht zur Verfügung. Und auch der öffentliche Nahverkehr kann nicht zu 100 Prozent überwacht werden. Doch genau dies hat dazu geführt, dass in der Vergangenheit mehrere Attentate nicht verhindert werden konnten. Wie zum Beispiel 1995 ein Anschlag auf eine jüdische Schule in Villeurbanne bei Lyon, bei dem 14 Schüler verletzt wurden. Oder zwei Anschläge auf Nahverkehrszüge mit über zehn Todesopfern und Hunderten Verletzten in den 90er-Jahren.
Bei den Tätern handelte es sich stets um Mitglieder arabischer Terrorgruppen. Im Zusammenhang mit dem Anschlag auf die Copernic-Synagoge fordern die französischen Behörden seit 2008 die Auslieferung des in Kanada lebenden Soziologie-Professors Hassan Diab. Er soll das Attentat im Auftrag der palästinensischen Terrororganisation FPLP ausgeführt haben.
gefahrenstufe rot Auch wenn die Terrorbedrohung für Frankreich nichts Neues ist, so hat Innenminister Brice Hortefeux in den vergangenen Tagen wiederholt auf die aktuell bestehende Gefahr hingewiesen. Das vierstufige Antiterror-Programm »Plan Vigipirate« wurde nach mehreren Hinweisen auf Terroranschläge im September auf rot angehoben, die vorletzte Stufe vor großer Anschlagsgefahr.
An den Bewohnern des jüdischen Marais-Viertel scheinen die aktuellen Warnungen vorbei zu gehen. In der Rue des Rosiers läuft alles seinen gewohnten Gang. In der traditionellen Bäckerei Kapota herrscht reger Andrang auf die Köstlichkeiten. Von Terror will man hier nichts wissen. Dabei wurde 1982 ein Anschlag in eben dieser Straße verübt. Damals wurden sechs Menschen getötet und 22 verletzt.
Bäcker Kapota lächelt nur und sagt: »Ach, man muss schon wachsam sein, aber man darf sich auch nicht verrückt machen. Ich gehe nach wie vor hier in die Synagoge. Ich habe keine Angst. Und wenn Sie sehen, wie voll die Gottesdienste immer sind, dann stellen Sie fest, dass ich nicht der einzige bin.« »Stimmt«, wirft eine ältere Kundin ein. »Es bringt nichts, wenn man sich zu viele Gedanken macht. Was passiert, passiert. Ob man sich vorher Sorgen macht oder nicht«, sagt sie, bevor sie sich mit ihrem gerade gekauften Pletzl-Sandwich wieder auf den Weg macht.