Italien

»Parallelen zu den 30er-Jahren«

Giorgia Meloni, Chefin der rechtsnationalen Partei Fratelli d’Italia Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com

Italien wählt. Den Umfragen zufolge liegt Giorgia Meloni, die Spitzenkandidatin der rechtsgerichteten Partei Fratelli d’Italia (Brüder Italiens), ganz vorn: 25 Prozent könnte sie heute bei den Wahlen erzielen. Die aktuelle Situation – eine hohe Unzufriedenheit im Land durch hohe Gas- und Energiepreise – spielt ihr in die Karten. Sie und ihre Kollegen verkneifen sich derzeit bei Parteiauftritten den »römischen Gruß« mit der ausgestreckten Hand. Angeblich gab es eine parteiinterne Weisung, um die gemäßigte Wählerschaft nicht zu verschrecken, sagen Beobachter.

PERSILSCHEIN Vor Kurzem war Giorgia Meloni in Südtirol. Sie gab sich sehr moderat und betonte, dass die Autonomie der Provinz unantastbar sei. »Sie wollte sich nur einen Persilschein holen«, sagt eine ältere jüdische Frau, die nicht namentlich genannt werden möchte. Sie arbeitet oft mit Kindern und Jugendlichen und begleitet Fahrten ins ehemalige Vernichtungslager Auschwitz. »Ich bin wütend darüber, dass wir in unserem Land nicht eine Kultur, eine Bildung geschaffen haben, um die faschistische Erbschaft gründlich infrage zu stellen.«

Die Partei Fratelli d’Italia gilt als faschistisch und verherrlicht zum Teil die Werte Mussolinis. »Hier in Südtirol wurde vor genau 100 Jahren, am 1. Oktober 1922, der Bürgermeister von Bozen aus dem Amt gedrängt. Damals begann die faschistische Zeit«, sagt ein örtlicher Historiker, der anonym bleiben möchte. »Man kann heute ganz gut Parallelen erkennen.« Allerdings, räumt er ein, würde es ihn stören, wenn behauptet wird, Meloni brächte den Faschismus zurück. Man müsse beim Benutzen dieses Begriffs vorsichtig sein und respektvoll sein gegenüber jenen Menschen, die damals, in den 1930er- und 40er-Jahren gelitten hätten.

KASCHIERT »Wir sind keine Antisemiten. Wir sind keine Rassisten«, sagt Meloni seit einigen Jahren. Doch viele Juden halten dies nur für eine Verpackung. Manchen allerdings mag sie angesichts der anderen Kandidaten dieser Wahl vielleicht doch als das »kleinere Übel« erscheinen. 

Antisemitismus und Israel-Hass kämen seit Jahren fast ausschließlich von linker Seite, sagt Federico Steinhaus. Der 85-Jährige ist einer der wenigen jüdischen Zeitzeugen in Südtirol, die aus eigenem Erleben vom Faschismus der 1940er-Jahre erzählen können und das auch öffentlich tun. Nach 1945 kam er mit seiner Familie nach Meran zurück, leitete später die jüdische Gemeinde der Region und führte das Lederwarengeschäft seiner Vorfahren weiter. Viele in seinem Umfeld seien kritisch, sagt er, aber auch vorsichtig mit einem Urteil zur jetzigen Politik.

»Meloni nutzt die aktuelle Situation«, sagt der Historiker, der nicht möchte, dass sein Name in der Zeitung steht. »Sie nutzt, dass viele in der Gesellschaft das Vertrauen in jene verloren haben, die bislang an der Spitze waren.« Die Italiener hätten die Nase voll von der politischen Elite des Staates, »und da kommt es zu diesem Schwenk in Richtung rechts. Meloni trifft den Nerv der Mittelschicht«.

Die wirtschaftliche Not der Menschen sei ein Einfallstor für radikale Parteien, sagt so mancher in der Gemeinde. Die fehlende Aufarbeitung des Faschismus der Ära Mussolini sei es allerdings auch.

Brüssel

Kurswechsel in Belgien?

Am Montag vereidigte König Philippe die neue Föderalregierung unter Führung des flämischen Nationalisten Bart De Wever. Nicht nur im Hinblick auf Nahost dürfte sich einiges ändern

von Michael Thaidigsmann  04.02.2025

Rom

Achtjähriger getreten, geschlagen und bedroht, weil er eine Kippa trug

Der Täter zückte einen abgebrochenen Flaschenhals, als die Mutter und eine Ladeninhaberin ihn aufhalten wollten

 04.02.2025

Angouleme

Charlie-Hebdo-Karikaturist für Comic über Nazi-Raubkunst geehrt

Nach der Terrorattacke auf sein Satire-Blatt vor zehn Jahren wurde Renald Luzier Comic-Buch-Autor

 03.02.2025

Berlin

Friedman: Totalitäre Regime verbreiten Fantasiegeschichten

Der Publizist sieht die westlichen Demokratien zunehmend unter Druck

 03.02.2025

Andorra

Kleiner, sicherer Hafen?

Die Toleranz hat Geschichte im Zwergstaat zwischen Frankreich und Spanien. Aber die jüdische Gemeinschaft darf keine erkennbare Synagoge haben

von Mark Feldon  02.02.2025

Italien

Kaffeeklatsch in Cinecittà

In den 50er- und 60er-Jahren kam Hollywood in die Ewige Stadt. Stars wie Marlon Brando, Audrey Hepburn und Charlie Chaplin zogen nach Rom. Ein neues Buch liefert den Tratsch dazu

von Sarah Thalia Pines  02.02.2025

Großbritannien

Lady Berger und Lord Katz

Zwei jüdische Labour-Abgeordnete wurden zu Mitgliedern des Oberhauses ernannt

von Daniel Zylbersztajn-Lewandowski  29.01.2025

Australien

Sydney: Polizei vereitelt Sprengstoffanschlag auf Synagoge

In Sydney wurde ein mit Powergel beladener Wohnwagen sichergestellt - zu den Hintergründen wird noch ermittelt

 29.01.2025

Berlin

Wie ein Holocaust-Überlebender aus der Ukraine auf Deutschland blickt

Er überlebte den Holocaust - und muss nun erleben, wie seine Heimatstadt Odessa von Russland bombardiert wird. An diesem Mittwoch hat Roman Schwarzman die Chance, im Bundestag einen Appell an den Westen zu richten

von Bernhard Clasen  29.01.2025