USA

Offenbar kein Hassverbrechen

Zerstört bis auf die Grundmauern: die 120 Jahre alte Holzsynagoge der Adas-Israel-Gemeinde in Duluth Foto: Getty Images

So weit ist es schon, dass Amerikas Juden aufatmen, wenn eine Synagoge niedergebrannt ist – nur weil, anders als anfangs vermutet, möglicherweise kein Hassverbrechen vorliegt.

Doch Steve Hunegs, der geschäftsführende Direktor des Jewish Community Relations Council von Minnesota und der Dakotas, erklärte auch: »Das Bild eines in Flammen stehenden Bethauses ist eine brennende Erinnerung an die Herausforderungen, denen wir uns mit zunehmendem Antisemitismus und Fanatismus in diesem Land gegenübersehen.«

In den vergangenen Jahren sind in den USA zahlreiche Bet- und Gotteshäuser durch Brandstiftungen zerstört worden. Vor allem schwarze Gemeinden in den südlichen Bundesstaaten haben ihre zum Teil historischen Kirchen durch Brandanschläge verloren.

Torarollen Diesmal stand ein jüdisches Bethaus im Fokus der Medien. In den frühen Morgenstunden des 9. September war in der Synagoge der modern-orthodoxen Adas-Israel-Gemeinde in der Stadt Duluth (Minnesota) ein Feuer ausgebrochen und hatte sich sehr schnell ausgebreitet. Zwar wurde niemand verletzt, doch bei den Löscharbeiten erlitt ein Feuerwehrmann eine Gehirnerschütterung, und sechs der 14 Torarollen, die sich in der Synagoge befanden, fielen den Flammen zum Opfer. Das fast 120 Jahre alte Bethaus brannte bis auf die Grundmauern nieder.

Die der Großen Synagoge von Vilnius nachgebaute Holzsynagoge galt als historisches Baudenkmal. Die Adas-Israel-Gemeinde wurde einst von litauisch-jüdischen Einwanderern gegründet. Heute gehören ihr 40 Familien an.

Anfang der Woche erhob die Staats­anwaltschaft Anklage gegen den Obdach­losen Matthew James Amiot. Er wird verdächtigt, die Synagoge in Brand gesteckt zu haben. Die Polizei nahm den 36-Jährigen fest, seit vergangenem Freitag sitzt er in Untersuchungshaft.

Ermittlungen Rund 20 Ermittler arbeiteten auf Hochtouren. Polizei und Feuerwehr untersuchten die Brandursache. Und weil ein Gotteshaus brannte, schaltete sich auch das Bureau of Alcohol, Tobacco, Firearms and Explosives ein, eine dem Justizministerium unterstellte Bundespolizeibehörde. Der Feuerwehrchef von Duluth, Shawn Krizaj, sagte schließlich, am Tatort sei kein Brand­beschleuniger gefunden worden.

Die Ermittlungen dauern an. Doch Mike Tusken, der Polizeichef von Duluth, erklärte bereits, er glaube nicht, dass es sich um ein Hassverbrechen handelt. Der Angeklagte sei in der Vergangenheit mehrfach durch Ladendiebstähle und wegen Hausfriedensbruchs aufgefallen.

Nach Angaben der Ermittler hatte Amiot in einer kleinen Nische zwischen der Synagoge und einer Sukka sein Lager errichtet und brennbare Materialien in Brand gesteckt. Als es nicht ausgehen wollte, habe er versucht, auf das Feuer zu spucken, und sei weggegangen, so seine Aussage.

Wie die Zeitung »Star Tribune« berichtete, erklärte Amiots Verteidigerin Nata­sha VanLieshout, ihr Mandant bestreite die Anschuldigungen. Er sagt, er sei »zur falschen Zeit am falschen Ort« gewesen.

Schuppen Der jüngere Bruder des Verdächtigen, Ben Amiot, erzählte dem lokalen Fernsehsender KARE-TV, dass Matthew Amiot seit Jahren obdachlos ist und versucht habe, »warm zu bleiben«, als das Feuer begann. »Er ist nicht der Typ, der so etwas absichtlich tut«, sagte Ben Amiot. »Er hat versucht, sich in einer kalten, windigen und regnerischen Nacht in einem Schuppen hinter dem Gebäude aufzuwärmen. Ich habe das Gefühl, dass das Feuer unkontrolliert begann und er in Panik geriet und einfach weglief, anstatt die Behörden zu alarmieren.« Er sei kein hasserfüllter Mensch. »Er würde anderen helfen, wenn er könnte.«

Die Gemeinde will die Synagoge wiederaufbauen und hat eine Spendenaktion gestartet. Wie der Gemeindevorsitzende Phillip Sher sagte, treffe man derzeit Vorbereitungen, um wieder mit den Gottesdiensten zu beginnen. »Das wahre Judentum ist im Herzen – und nicht in einem Gebäude.«

USA

Der Lautsprecher

Howard Lutnick gibt sich als Architekt der amerikanischen Zollpolitik. Doch der Handelsminister macht sich mit seiner aggressiven Art im Weißen Haus zunehmend Feinde

von Sebastian Moll  18.04.2025

Ungarn

Die unmögliche Geige

Dies ist die zutiefst berührende Geschichte eines Musikinstruments, das im Todeslager Dachau gebaut und 70 Jahre später am Balaton wiedergefunden wurde

von György Polgár  17.04.2025

Medien

Noa Argamani ist auf der »Time 100«-Liste

Alljährlich präsentiert das »Time Magazine« die 100 einflussreichsten Menschen der Welt. 2025 ist auch eine freigelassene israelische Geisel dabei

 17.04.2025

USA

Neuauflage von Weinstein-Prozess startet

Vor gut einem Jahr überraschte ein Gericht in New York die Welt und hob das historische Vergewaltigungsurteil gegen Harvey Weinstein auf. Nun wird über die Vorwürfe erneut verhandelt

von Benno Schwinghammer  14.04.2025

Türkei

Die Optimistin

Liz Behmoaras schrieb über das jüdische Leben im Land – und für das Miteinander. Ein Nachruf

von Corry Guttstadt  14.04.2025

Ägypten

Gefährliches Paradies

Der Sinai ist einer der wenigen Urlaubsorte im Ausland, den Israelis auf dem Landweg erreichen können. Gern auch zu Pessach. Aber zu welchem Preis?

von Matthis Kattnig  11.04.2025

Feiertag

Putzen, Plagen, Playmobil

Neben Mazza und Haggada bietet Pessach Raum für ganz neue, individuelle Rituale. Wir haben uns in sieben Familien in Europa und Israel umgehört

von Nicole Dreyfus  11.04.2025

Israel-Boykott

Johnny Rotten nennt Hamas »einen Haufen von ›Judenvernichtern‹ «

Eine irische Zeitung hat versucht, den Ur-Punk Johnny Rotten vorzuführen, der sich kraftvoll gegen einen Boykott Israels wehrt. Das ging gründlich schief

von Sophie Albers Ben Chamo  10.04.2025

USA

Eine Hochschule und ihr LGBTQ-Klub

Die einen feiern den »Meilenstein für queere Juden«, die Yeshiva University rudert zurück. Nicht nur die orthodoxe Gemeinschaft ist verwirrt

von Sophie Albers Ben Chamo  10.04.2025