Russlands Oberrabbiner Berel Lazar hat zur Beendigung des Krieges in der Ukraine aufgerufen und sich selbst als möglichen Vermittler ins Spiel gebracht.
In einer am Mittwoch im Internet verbreiteten Erklärung schrieb der Putin-nahe Chabad-Rabbiner: »Ja, wir sind unterschiedliche Menschen, wir können zu vielen Problemen völlig unterschiedliche Ansichten haben. Aber in einem Punkt müssen wir uns einig sein: Es ist unsere Pflicht vor Gott, uns mit aller Kraft um gegenseitiges Verständnis und gegenseitigen Respekt zu bemühen und auf keinen Fall das Schwert gegen unseren Bruder zu erheben.«
VERMITTLUNG Er fühle »den Schmerz unserer Brüder, unabhängig von ihrem Glauben«, sagte er weiter. Friedensgebete alleine reichten nicht aus, so Lazar. »Jetzt erwartet Gott von jedem Gläubigen, dass er alles in seiner Macht Stehende tut, um Menschenleben zu retten. Ich persönlich bin zu jeder Vermittlung bereit, bin bereit, alles zu tun, was ich kann, und darüber hinaus, um die Waffen zum Schweigen zu bringen und die Bomben zu stoppen. Doch jetzt ist es an der Zeit, gemeinsam zu handeln«.
Lazar appellierte auch an die Staats- und Regierungschefs in Europa und sagte: »Wir, die wir dem einen Gott allein treu sind, sollten all unseren Einfluss, all unsere Macht nutzen, um das Chaos zu beenden und weitere Opfer zu verhindern. Das ist unsere heilige Pflicht gegenüber dem Einen, der uns alle erschaffen und uns das Leben in dieser Welt geschenkt hat.«
In den vergangenen Tagen hatten sich auch führende Rabbiner in der Ukraine für ein Ende des seit einer Woche andauernden Krieges ausgesprochen. Der Chabad-Oberrabbiner des Landes, Moshe Reuven Azman, hatte sich in einem flammenden Appell an die russische jüdische Gemeinschaft gewandt und sie aufgefordert, sich klar gegen Putins Krieg zu positionieren.
VERBRECHEN »Denken Sie daran, dass derjenige, der sich nicht kümmert und derjenige, der schweigend zustimmt, ein Komplize eines Verbrechens ist. Einem Kriegsverbrechen! Ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit«, sagt der in St. Petersburg geborene Azman in einer Video-Botschaft auf Russisch.
»Ich hätte nie gedacht, nicht einmal in meinem schlimmsten Alptraum, dass ich unter den Granaten Russlands, wo ich geboren wurde, wo ich zur Schule gegangen bin, wo ich viele Freunde habe, die schweigen, zugrunde gehen müsste. In Wahrheit hat niemand [aus Russland] angerufen und gefragt. Menschen rufen aus der ganzen Welt an. Aus allen Teilen der Welt. Juden und Nicht-Juden. Sogar Araber rufen mich aus Israel an und unterstützen mich«, sagte der Rabbiner, der 2014 vom damaligen Präsidenten der Ukraine, Viktor Janukowitsch, zum Oberrabbiner des Landes eingesetzt wurde.
Azman beschuldigte das russische Militär, die Ukraine wahllos mit Raketen zu bombardieren. An sein russisches Publikum gewandt sagte er: »Sehen Sie sich die Videos an. Vielleicht wird Ihnen das nicht gezeigt. Sie schießen mit Grad-Raketen. Grad sind keine hochpräzisen Waffen. Grads, Panzer, ballistische Raketen, Flugzeuge. Was ist da los? Krieg. Krieg! Krieg!«, sagte er.
ENTNAZIFIZIERUNG Rabbiner Yaakov Dov Bleich, der seit 1989 Teil der jüdischen Gemeinschaft in der Ukraine ist und weithin als Oberrabbiner des Landes gilt, ging sogar noch weiter als Azman und forderte die Bombardierung des vor Kiew stehenden, 60 Kilometer langen russischen Militärkonvois durch den Westen, um die Hauptstadt vor der Einnahme durch russische Truppen zu bewahren.
Putin »tötet die Menschen, die er angeblich schützen will. Er bombardiert Charkiw, in dem viele russischsprachige Menschen leben. Ist er nicht ursprünglich gekommen, um die russischsprachige Bevölkerung zu retten?» sagte Bleich im Sender CNN.
Die Behauptung des russischen Präsidenten, man werde mit der Militäraktion die Ukraine «entnazifizieren», kommentierte Bleich mit den Worten: «Der Nazi, der entnazifiziert werden müsste, trägt den Namen Wladimir Putin.» mth