Für Pavel Fried sind es vom Büro aus nur ein paar Schritte zum Platz des 28. Oktober: Dort, am Rande der Innenstadt von Brünn, soll schon bald ein Denkmal stehen für die Opfer des Holocausts. »Wir finden es wichtig, dass die Stadt dieses Thema in den Mittelpunkt rückt«, sagt Fried. Er ist Vorsitzender der jüdischen Gemeinde in Brünn und gehört zur Jury, die den gelungensten Entwurf für das Denkmal auswählen soll.
Novum Die Initiative der Stadt Brünn ist in Mähren, dem südlichen Landesteil Tschechiens, bislang einmalig: In drei Städten gibt es zwar ein Holocaust-Denkmal, dort ist es aber etwas versteckt auf dem jüdischen Friedhof gelegen. »Dass sich eine Stadt von sich aus um das Denkmal kümmert und es auf einen öffentlichen Platz baut – das ist hier bei uns etwas Neues«, sagt Pavel Fried.
Der Standort Brünn ist für das Denkmal gut gewählt: Die zweitgrößte Stadt des Landes mit ihren 370.000 Einwohnern war vor der Schoa bekannt für ihr jüdisches Leben. Künstler aus der jüdischen Gemeinde haben das Bild der Stadt beeinflusst, so etwa der Schriftsteller Ernst Weiß. Zu den prägenden Persönlichkeiten zählten auch zahlreiche Industrielle wie die Fabrikantenfamilie Tugendhat: Sie ließ auf den Hügeln über Brünn ihre Villa von Ludwig Mies van der Rohe entwerfen, ein Meisterwerk mit schlichten Linien und einem faszinierenden Spiel zwischen Innen- und Außenräumen. Dem Schmuckstück der modernen Architektur verdankt die Stadt heute ihren Platz auf der Unesco-Liste des Weltkulturerbes. Während den Tugendhats die Flucht vor den Nazis gelang, sind mehr als 12.000 Mitglieder der jüdischen Gemeinde im Holocaust ermordet worden. »Das Denkmal ist auch eine Anerkennung der Verdienste, die sich die Juden um Brünn erworben haben«, urteilt der heutige Gemeindechef Pavel Fried.
kunstwerk Im Ratsbeschluss der Stadt Brünn heißt es, man wolle an »eine der dunkelsten Etappen unserer neuzeitlichen Geschichte« erinnern. Mit einem zeitgenössischen Kunstwerk wolle die Stadt dazu beitragen, die Schuld an den Opfern abzutragen. Ausdrücklich erwähnt sind Juden und Roma. Für die Gestaltung hat die Stadt den Teilnehmern am künstlerischen Wettbewerb keine Vorgaben gemacht. Einzig die Inschrift steht schon fest: Die Aufforderung »Vergessen wir nicht!« soll dort auf Tschechisch, Hebräisch und Romani, der Sprache der Roma-Minderheit, eingraviert werden. Darunter steht dann der tschechische Text »Zu Ehren der Juden und Roma, Opfer der Rassenverfolgung der Nazis, die in den Jahren 1939 bis 1945 aus Brünn in die Konzentrationslager verschleppt und ermordet worden sind.« Die Kosten für das Denkmal trägt komplett die Stadt Brünn; aus ihrem Etat hat sie 4,4 Millionen tschechische Kronen vorgesehen, das sind umgerechnet etwa 175.000 Euro.
Der Standort des Denkmals ist indes nicht nach der historischen Bedeutung bestimmt worden. Gemeindechef Pavel Fried, der an der Auswahlkommission beteiligt ist, spricht von der »urbanistisch sinnvollsten Lösung«: Der Platz des 28. Oktober, der an die Gründung der ersten tschechoslowakischen Republik im Jahr 1918 erinnert, ist zentral gelegen und großzügig als Park angelegt. »Das ist eine Stelle, an der genug Platz ist, um dort bei offiziellen Veranstaltungen auch Kränze niederzulegen«, sagt Fried. An dem Kriterium sind andere, symbolträchtigere Plätze gescheitert: Der Standort der einstigen Synagoge etwa ist heute zu eng bebaut, rund um die Straßen der ersten jüdischen Siedlung in Brünn entstehen derzeit zahlreiche Neubauten. Und die Gegend, in der vor 600 Jahren, am Anfang der jüdischen Besiedelung Brünns, viele Gemeindemitglieder lebten, ist zu weit außerhalb des Zentrums.
Gespräche Für die jüdische Gemeinde in Brünn ist das Denkmal ein erster Schritt. »Wir wünschen uns seit vielen Jahren ein Museum über die mährischen Juden, ihre Geschichte und ihre Bedeutung«, sagt Pavel Fried. Erste Gespräche mit dem mährischen Landesmuseum seien bereits erfolgreich verlaufen – »aber das ist eine langfristige und teure Angelegenheit«, räumt Fried ein.
Mit dem Denkmal soll es schneller gehen: Bis September läuft die Frist für die Ausschreibungsteilnehmer, das Mahnmal selbst soll dann ab dem nächsten Jahr entstehen.
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