Der neue Bürgermeister von Barcelona, der Sozialist Jaume Collboni, hat ein Dekret unterzeichnet, das die von seiner Amtsvorgängerin Ada Colau verfügte »vorübergehende Aussetzung« der seit 1998 bestehenden Städtepartnerschaft mit Tel Aviv aufhebt.
Tel Avivs Bürgermeister Ron Huldai bedankte sich per Tweet: »Danke Bürgermeister @jaumecollboni für die Wiederherstellung der Städtepartnerschaft mit Tel Aviv-Jaffa und für die Anerkennung unserer gemeinsamen liberalen und fortschrittlichen Werte.«
REAKTIONEN Die Israelitische Gemeinde von Barcelona (CIB.CAT) und der Verband der Jüdischen Gemeinden Spaniens (FCJE) begrüßten die Entscheidung in einer gemeinsamen Erklärung. Nach Ansicht beider Verbände habe der Bruch mit Tel Aviv zu »antisemitischen Handlungen« in den Institutionen geführt, angesichts derer die jüdische Gemeinde keine Unterstützung von der Stadtverwaltung oder der katalanischen Regionalregierung erhalten habe.
»Wir sind der Meinung, dass es nie zu diesem Bruch hätte kommen dürfen, und schließen uns den Worten von Bürgermeister Collboni an, der bei seinem Besuch in der jahrhundertealten Synagoge von Barcelona versprochen hat, nicht zuzulassen, dass ›der Antisemitismus der Zusammenarbeit und Freundschaft im Wege steht‹«, heißt es in der Erklärung.
Die Städtepartnerschaft zwischen Tel Aviv und Barcelona sei ein Instrument des Dialogs und eine Tür, um miteinander ins Gespräch zu kommen, betonen die beiden Verbände. »Die CIB, die 100-jährige jüdische Gemeinde Barcelonas, bedauert, dass die vorherige Bürgermeisterin nie auf diese Institution zugegangen ist, obwohl ihr seit der Auflösung der Partnerschaft drei Briefe geschickt wurden, auf die sie nicht geantwortet hat.”
Vorgeschichte Colau hatte ihre Entscheidung vom Februar, »die Beziehungen zum Staat Israel und zu den offiziellen Institutionen dieses Staates, einschließlich des Partnerschaftsabkommens mit dem Stadtrat von Tel Aviv, vorübergehend einzustellen«, in einem Schreiben an Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu damit begründet, dass sie »angesichts der eklatanten und systematischen Verletzung der Grundrechte der palästinensischen Bevölkerung nicht untätig bleiben« könne. Auch von »Apartheid und Verfolgung« ist die Rede.
»Wir haben begriffen, dass wir uns nicht in Schweigen hüllen können«, schrieb Colau, und betonte, dass die Maßnahme »keinesfalls eine Diskriminierung der jüdischen Bevölkerung« darstelle. »Es ist eine Kritik an einer Regierung, nicht an einem Volk, einer Gemeinschaft oder einer Religion«, so Colau in dem Brief an den israelischen Regierungschef. Zu palästinensischen Terroranschlägen, auf die Israel seit seiner Gründung reagieren muss, verlor sie kein Wort.
DEKRET Die Entscheidung wurde schließlich per Dekret der Bürgermeisterin getroffen. Mit anderen Worten, es gab keine Abstimmung im Stadtrat. Dieser stellte den Schritt denn auch infrage; entschiedene Ablehnung gab es auch von der sozialistischen Fraktion, Colaus damaligem Regierungspartner. Die stellvertretende Bürgermeisterin und Vorsitzende der sozialistischen Stadtratsfraktion, Laia Bonet, bezeichnete die Entscheidung als einen »sehr schweren Fehler«. Die israelitische Gemeinde von Barcelona warf Colau einen »ausgeklügelten Antisemitismus« vor.
Collbonis Entscheidung, die Beziehungen zu Tel Aviv wiederherzustellen, nahmen CIB.CAT und FCJE nun zum Anlass, den Stadtrat aufzufordern, Schritte »in die richtige Richtung« zu unternehmen und die von der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) aufgestellte Definition von Antisemitismus zu übernehmen.
Bei der Ankündigung der Wiederaufnahme der Städtepartnerschaft betonte Collboni, dass er Israels Praktiken nicht gutheiße, sondern eine Verbindung zu Tel Aviv herstelle, wo im Wochentakt Proteste gegen die derzeitige israelische Regierung stattfänden. Er verwies darauf, dass diese Verbindung es ihm ermöglichen werde, sich für die Palästinenser einzusetzen. Seine erste offizielle Reise als Bürgermeister soll ihn laut der spanischen Tageszeitung »El País« ins Westjordanland führen.