Seit dem Bombenanschlag auf Israels Botschaft in Argentinien sind 30 Jahre vergangen – und 28 Jahre seit dem Bombenanschlag auf das jüdische Gemeindezentrum AMIA in Buenos Aires. Ein in der argentinischen Hauptstadt festgehaltenes venezolanisches Flugzeug hat die iranische Verwicklung in die Attentate wieder in die öffentliche Debatte gebracht. Die argentinische Justiz untersucht eine Reihe angeblicher Unregelmäßigkeiten, und in den Medien nimmt das Flugzeug breiten Raum ein.
Die Boeing 747 der venezolanischen Transportfluggesellschaft Emtrasur traf am 6. Juni mit fünf Iranern und 14 Venezolanern an Bord und einem Laderaum voller Autoteile aus Mexiko in Argentinien ein. Am 8. Juni versuchte die Maschine, nach Uruguay weiterzufliegen; ihr wurde jedoch die Landung verweigert, und sie kehrte auf den Flughafen Buenos Aires-Ezeiza zurück.
untersuchung Die uruguayische Weigerung erregte in Argentiniens Hauptstadt Aufsehen; die Regierung überprüfte Fracht und Dokumente der Besatzung und setzte diese in einem Hotel in der Nähe des Flughafens fest. Ein Gericht ordnete eine Untersuchung an und untersagte die Ausreise. Das Flugzeug selbst befindet sich seitdem am Boden.
Ersten Ermittlungen zufolge hat Emtrasur die Maschine erst im Januar von der iranischen Mahan Air gekauft, für die sie 15 Jahre lang im Einsatz war. Mahan Air unterliegt in den USA Sanktionen wegen angeblicher Verbindungen zur Quds-Einheit, der Elitetruppe der Iranischen Revolutionsgarde, die von Washington als terroristische Vereinigung eingestuft wird.
Zudem stimmt der Name eines der iranischen Besatzungsmitglieder, Gholamreza Ghasemi, mit dem eines Mitglieds der Revolutionsgarde überein. Argentiniens Sicherheitsminister Aníbal Fernández sagte in einem Radiogespräch, dass »Informationen ausländischer Organisationen eingegangen sind, die darauf hinweisen, dass ein Teil der Besatzung zu Unternehmen gehört, die mit den Quds-Kräften in Verbindung stehen«. Eine rote Ausschreibung von Interpol wegen des AMIA-Bombenanschlags liege jedoch nicht vor.
Bei dem verheerenden Bombenattentat 1994 auf das jüdische Gemeindezentrum AMIA in Buenos Aires wurden 85 Menschen getötet und mehr als 300 verletzt.
Bei dem verheerenden Bombenattentat 1994 auf das jüdische Gemeindezentrum AMIA in Buenos Aires wurden 85 Menschen getötet und mehr als 300 verletzt. Bis heute ist der schwerste Anschlag in der Geschichte des Landes nicht vollständig aufgeklärt. Als Urheber gilt die vom Iran unterstützte Hisbollah. Die Entscheidung für die Anschläge sei aber an höchster Stelle in Teheran gefallen, so eine argentinische Untersuchungskommission.
AGENTEN Mögliche iranische Agenten haben nun die argentinischen jüdischen Dachverbände AMIA und DAIA auf den Plan gerufen. In einer gemeinsamen Erklärung wiesen sie darauf hin, dass die Bombenanschläge auf die israelische Botschaft am 17. März 1992 und auf AMIA am 18. Juli 1994 noch immer ungesühnt sind, und forderten die Regierung auf, »erschöpfende und detaillierte Informationen über die Personen, die sich in dem Flugzeug befanden, und die Gründe für ihre Durchreise durch das Land« zu liefern. Auch die israelische Botschaft in Argentinien äußerte sich besorgt.
Die mögliche Verbindung Ghasemis zu den Revolutionsgarden scheint inzwischen ausgeräumt. Am Mittwoch vergangener Woche stellte Sicherheitsminister Fernández klar, dass das fragliche Besatzungsmitglied ein Namensvetter sei, »ein leitender Angestellter einer Fluggesellschaft«, der genauso heiße wie ein hoher Militäroffizier des Iran. Zeitungsberichten zufolge gibt es aus Geheimdienstkreisen in Paraguay, wo das Flugzeug ebenfalls gelandet war, jedoch Angaben, die dem widersprechen.
Überhaupt sind weiterhin viele Fragen ungeklärt: Gibt es Anhaltspunkte, die eines der anderen Besatzungsmitglieder mit terrorverdächtigen Gruppen in Verbindung bringen? Warum sind in einem Flugzeug, das fünf Besatzungsmitglieder benötigt, 19 an Bord? Und was wollte das Flugzeug in Argentinien? Ist der Frachtservice des Emtrasur-Flugzeugs nur eine Fassade für Spionage? Und was ist dran an der öffentlichen Aussage von Geheimdienstchef Agustín Rossi, dass er davon ausgehe, dass die Iraner nicht nur die Ladung mit den Autoteilen gebracht hätten, sondern auch »Ausbilder« seien? Oder gibt es vielleicht doch eine ganz banale Erklärung?
sorgen Für den Präsidenten der DAIA, Jorge Knoblovits, ist »ein venezolanisches Flugzeug Grund genug, sich Sorgen zu machen«. »Auch ein iranisches Flugzeug gibt Anlass zur Sorge. Ein venezolanisch-iranisches Flugzeug ist noch besorgniserregender.« Nach seiner Lesart hatte der Flug nach dem Trial-and-Error-Prinzip die Aufgabe, die Kontrollkapazität der verschiedenen Flughäfen zu testen.
»Die Welt ist durch den Iran in Gefahr, nicht speziell Argentinien«, so Knoblovits. Gerade erst hätten israelische Geheimdienste gewarnt, »dass der Iran Angriffe auf israelische Ziele in aller Welt plant. Da wir in unserem Land Opfer von zwei Anschlägen geworden sind, müssen wir sehr wachsam sein, was hier geschieht.