Mala Zimetbaums Leben ist die Geschichte einer Heldin. Wie kann es dann sein, dass kaum jemand mehr diese mutige Jüdin kennt? Zwar gibt es in Antwerpen eine Gedenktafel an ihrem einstigen Wohnhaus und es wurden auch schon Bücher über die in Auschwitz ermordete junge Frau geschrieben. Doch keines von ihnen hatte eine große Resonanz.
Die Biografie einer italienischen Autorin fand vor einigen Jahren nicht einmal einen deutschen Verlag. Jetzt unternimmt die Historikerin und Journalistin Barbara Beuys einen neuen Versuch, die Heldin von Auschwitz dem Vergessen zu entreißen.
Mala Zimetbaum hat wenig eigene Zeugnisse hinterlassen. Doch es gibt zahlreiche Auschwitz-Überlebende, die ihr mutiges Handeln im Todeslager dokumentieren. »Jeder im Lager kannte Mala«, erzählt eine Augenzeugin. »Durch ihr Geschick und ihre Risikobereitschaft hat sie vielen Frauen das Leben gerettet.« Eine andere hielt sie für »mutig bis zur Verrücktheit«. Es habe keine Aktion gegeben, die ihr zu schwierig gewesen sei.
Viele Sprachen
Fest steht, dass die Frau ihre etwas privilegierte Position im Frauenlager Auschwitz-Birkenau dazu nutzte, sich auf vielfältige Weise für die geschundenen Gefangenen einzusetzen und ihnen unter unmenschlichen Bedingungen so etwas wie Würde zuteil werden zu lassen.
Mala Zimetbaum wird 1918 in der Kleinstadt Brzesko östlich von Krakau geboren. Ihre Eltern sind Juden, die in einfachen Verhältnissen leben. Aus wirtschaftlichen Gründen wechselt die Familie häufig den Wohnort: von Brzesko nach Mainz, von dort zurück nach Polen, dann erneut nach Westen, nach Ludwigshafen, und schließlich nach Antwerpen, wo die Familie eine endgültige Heimat findet. Wegen dieser häufigen Wohnortwechsel spricht Mala viele Sprachen: neben Polnisch und Deutsch auch Jiddisch, Flämisch und Französisch.
Vor allem diese Sprachkompetenz wird ihr unter der Nazi-Herrschaft sehr nützlich sein. So wird sie bei der Einrichtung eines SS-Sammellagers in Mechelen bei der Registrierung jüdischer Häftlinge eingesetzt. In Auschwitz, wohin man sie 1942 nach einer Razzia deportiert, macht man sie zur Laufbotin. In dieser Funktion kann sie sich relativ frei im Lager bewegen, die Abläufe und Hierarchien erkunden, Nachrichten und Gegenstände unter den Gefangenen austauschen.
Zusätzliches Essen
Mala, die das Vertrauen der grausamen KZ-Aufseherinnen genießt, organisiert heimlich zusätzliches Essen, Kleidung oder Medikamente für die gefangenen Frauen. Auch Todgeweihte sollen auf ihre Intervention hin von der Selektionsliste gestrichen worden sein.
Zum Verhängnis wird ihr eine Liebesgeschichte mit einem polnischen Gefangenen, dessen gefährlicher Flucht sie sich im Sommer 1943 anschließt. Ist es wahr, dass diese Aktion dazu diente, der Welt die Verbrechen von Auschwitz zu offenbaren? Einige ihrer Bewunderinnen behaupten dies. Beweisen lässt es sich nicht mehr.
Die beiden Flüchtigen werden jedenfalls gefasst, ihr Freund hingerichtet. Sie selbst widersetzt sich in einer letzten mutigen Aktion, schneidet sich die Pulsadern auf und schlägt einem SS-Mann vor den versammelten Lagerinsassen mit der blutigen Hand ins Gesicht. Sie stirbt.
Neue Quellen
Die Autorin hat sehr gründlich recherchiert und dabei neue Quellen erschlossen, so etwa über Malas Wurzeln im polnischen Brzesko. Darüber hinaus bietet sie wichtige Informationen über das Judentum und die Nazi-Besatzung in Belgien.
Zu intensiv allerdings breitet sich Beuys über die allgemeine Organisation des Holocausts aus. Da erinnert ihre Erzählung zu sehr an ein Geschichtslehrbuch, noch verstärkt durch die endlose Aufzählung von Todestransporten nach Auschwitz. Mala Zimetbaums Geschichte braucht diese Verdeutlichung des Grauens gar nicht, sie wirkt ganz von selbst.
Trotzdem ist dies ein wichtiges Buch über eine fast unbekannte Heldin, dem viele Leser und Leserinnen zu wünschen sind.
Barbara Beuys: Die Heldin von Auschwitz. Leben und Widerstand der Mala Zimetbaum, Suhrkamp Verlag, Berlin 333 Seiten, 26,00 Euro, ISBN 978-3-458-64386-9