Wenn Allison Buchsbaum eines ihrer Schmuckstücke aus der Vitrine nimmt, hat sie alles über den jeweiligen Entwurf im Kopf. Die Galeristin weiß genau, wer es wo und wann gefertigt hat, aus welchen Materialien ein Ring, eine Kette, ein Armband besteht und in welcher Technik sie gefertigt wurden. Buchsbaum ist ein wandelndes Lexikon, wenn es um zeitgenössischen Schmuck geht. Die ausgebildete Metallschmiedin hat selbst die kleinsten Details im Blick. Kontakte zu Manufakturen pflegt sie inzwischen weltweit.
»Mit den meisten Künstlern arbeite ich schon sehr lange zusammen«, sagt die 55-Jährige. Einen Großteil der Ateliers und Manufakturen habe sie schon persönlich besucht. Allerdings sei sie früher mehr gereist als heute, um neue Talente zu entdecken. Inzwischen beschränke sie ihre Auslandsbesuche auf zwei Reisen pro Jahr. Dabei kämen viele der Goldschmiede und Designer, die sie in ihrer Galerie präsentiere, aus Deutschland. »Einer meiner besten Freunde lebt in Konstanz am Bodensee«, erzählt Buchsbaum.
Alleinstellungsmerkmal Moderne
Mit ihrem Fokus auf zeitgenössisches Design hat die Patina Gallery ein Alleinstellungsmerkmal in Santa Fe. Die Hauptstadt New Mexicos ist eher bekannt für folkloristische Kunst und für den traditionellen Silber-Türkis-Schmuck der Native Americans, vor allem der Navajo. Buchsbaum wollte dem etwas Modernes entgegensetzen. Ihre Galerie richte sich eher an das internationale Publikum.
»Vor 25 Jahren haben wir die Galerie mit der Vision gegründet, etwas ganz Neues zu wagen, das es so in der Region bislang nicht gab«, erzählt Buchsbaum. Mit »wir« meint sie ihren damaligen Mann, den Künstler Ivan Barnett. Seit nunmehr einem Jahr führt sie die Patina Gallery nun aber allein.
Mit Mitte 55 noch einmal neu anzufangen, dazu gehört schon ein bisschen Mut, oder? Buchsbaum nickt. »Aber ich liebe meinen Beruf, und ich habe noch viele Ideen«, sagt die Schmuckexpertin. Aufgrund ihrer Expertise hat sie sich inzwischen weit über die Grenzen New Mexicos hinaus einen Namen gemacht. Viele Kunden kommen extra von weither angereist, um sich neue Stücke von ihr zeigen zu lassen, darunter auch Sammler.
Sie wollten etwas ganz Neues wagen, das es so in der Region bislang nicht gab.
Die Galerie ist allerdings nicht nur Ausstellungs- und Verkaufsfläche, Buchsbaum arbeitet auch mit lokalen Kulturinstitutionen zusammen, wie zum Beispiel unlängst mit der Oper von Santa Fe. Zum wiederholten Male habe einer der von ihr vertretenen Künstler eine ganze Kollektion um ein Opernwerk herum entwickelt, erzählt sie. Peter Schmid vom Atelier Zobel aus Konstanz habe sich dazu vom Sommernachtstraum inspirieren lassen. »Er entwarf Schmuck im Schmetterlings-Design rund um die Königin Titania und deren Feen«, sagt die Galeristin und zeigt auf einen Entwurf aus Gold und Edelsteinen mit beweglichen Flügeln. Zu erleben, wie die Opernsänger auf der Bühne stehen und von ihren Künstlern entworfene Kreationen tragen, haue sie jedes Mal um, sagt Buchsbaum und strahlt.
Auch mit Umweltschutzorganisationen wie »The Nature Conservancy« habe sie bereits kooperiert und auch mit dem »Santa Fe Art Institute«. »Einen Teil der Erlöse haben wir anschließend für einen guten Zweck gespendet«, sagt Buchsbaum. Soziales Engagement sei ihr sehr wichtig.
Der Terminkalender der Galeristin ist prall gefüllt, bis zum Jahresende sei alles durchgetaktet. Neben Ausstellungen, die im Schnitt alle sechs Wochen wechseln, und den Kooperationen kommen Fotoshootings für jede neue Kollektion hinzu, die von einer hausinternen Fotografin gemacht werden, Texte zu den Ausstellungen müssen verfasst werden, und seit der Covid-Zwangspause gibt es auch noch einen eigenen Video-Kanal namens »Mindful Meditations«. Darin stelle sie neue Stücke vor. Anfangs aus der Not geboren, um den Kontakt zu den Kunden während der Pandemie nicht zu verlieren, mache ihr die Arbeit vor der Kamera mittlerweile Spaß, sagt sie.
Kein Tag gleicht dem anderen
Natürlich sei es kein Nine-to-five-Job, eine Galerie zu betreiben, sagt Buchsbaum, die nur montags freinimmt. »Kein Tag gleicht dem anderen, ich entwerfe ständig neue Ideen, ich weiß nie, wer als Nächstes zur Tür hereinkommt und was sich daraus entwickeln könnte«, sagt sie und rückt einen Rahmen an der Wand zurecht. Auch die bildende Kunst hat ihren Platz in der Galerie.
»Früher war ich ein Workaholic«, heute sei sie deutlich entspannter, zumal sie von ihrem achtköpfigen Team unterstützt werde. »Aber erst nachdem meine Tochter letztes Jahr zum Studium das Haus verlassen hat, ist mir klar geworden, dass ich mehr auf mich und meine Gesundheit achtgeben muss«, sagt die schmale Frau mit den langen braunen Haaren. Auf die innere Balance komme es an, sagt Buchsbaum, schließlich wolle sie noch weitere 25 Jahre als Galeristin durchhalten. An der Eingangstür der Galerie, die sich in einem historischen Gebäude aus den 30er-Jahren im Museumsviertel von Santa Fe befindet, fällt der Blick auf die Mesusa.
»Die hat im vergangenen Jahr Rabbi Neil Amswych von unserem Tempel Beth Shalom angebracht«, erzählt Buchsbaum. Und zwar kurz nach der Trennung von ihrem Mann. Der Rabbi habe gesagt, es sei ziemlich mutig von ihr. Denn obwohl Santa Fe eine große, alteingesessene jüdische Community hat – rund zehn Prozent der rund 90.000 Einwohner haben einen jüdischen Hintergrund –, hat sich die Stimmung im Land, wie fast überall auf der Welt, nach den Massakern der Hamas auf Israel und dem daraus resultierenden Krieg sehr verändert.
»Ehrlich gesagt, ich habe nicht groß darüber nachgedacht, schließlich habe ich mich immer zu meiner jüdischen Herkunft bekannt«, so Buchsbaum. Als ihr Mann die Mesusa – die aus seinem Familienbesitz stammte – mitnahm, habe sie eine eigene haben wollen. »Auch als Symbol für meine Wiedergeburt, für einen Neuanfang nach der Scheidung.«
Die hochbetagten Eltern sind ihr Vorbild
Das Ehepaar hatte die Galerie im August 1999 gegründet und bis zum vergangenen Sommer gemeinsam geführt. Nach dem Diplom als Metallschmiedin an der Syracuse-Universität hatte Buchsbaum zunächst bei einem Juwelier in Santa Fe gearbeitet. Doch dann habe sie etwas Eigenes aufbauen wollen. »Mein Mann und ich kamen beide aus der Kreativbranche, und wir wollten eine Plattform für andere Kreative schaffen.« Er habe sich ums Geschäftliche gekümmert und sie sich um die Menschen. »Das hat sich mehr als zwei Jahrzehnte lang gut ergänzt«, sagt Buchsbaum, die inzwischen wieder ihren Mädchennamen angenommen hat.
Ihre hochbetagten Eltern Jane und Bil, 87 und 93, leben ganz in der Nähe der Galerie. »Im Idealfall treffen wir uns zweimal die Woche«, sagt die Tochter und greift zum Telefonhörer, um sich mit ihnen zu verabreden. Die Familie sei ihr wichtig. Ob es etwas gebe, das sie jenseits der Liebe zur Kunst mit ihren Eltern teile? »Die Liebe zu Menschen und zur Musik«, antwortet Buchsbaum spontan. »Musik ist der Grundstein unserer Familie. Meine Eltern haben sich 1959 beim Mardi Gras in New Orleans kennengelernt.« Sie selbst singe seit 2017 im Tempel-Chor von Santa Fe. »Zwar kann ich keine Noten lesen, aber ich liebe es!« Besonders an den Hohen Feiertagen.
Nach Santa Fe habe es sie verschlagen, weil ihre Eltern 1992 von New Orleans nach New Mexico gezogen sind, erzählt Buchsbaum weiter. Bei einem ihrer Besuche habe auch sie sich dann in die Stadt verliebt. »Hier ist alles so entspannt, es ist wunderschön, und die Menschen sind freundlich.«
Eine eigene Mesusa, auch als Symbol für einen Neuanfang nach der Scheidung.
Inzwischen zählt die Familie Buchsbaum zu den Lokalgrößen der Stadt. Vor mehr als 20 Jahren bereits wurden Vater Bil und Mutter Jane offiziell als »Santa Fe Living Treasures« geehrt, »lebende Schätze« der Stadt, weil sie als Philanthropen bis heute ihr Fachwissen und viel Lebenszeit in ehrenamtliche Arbeit für gemeinnützige Projekte investieren. »Meine Eltern, besonders meine Mutter, setzen sich sehr für das berühmte Pueblo-Töpferhandwerk der Native Americans ein«, sagt Buchsbaum.
Inzwischen habe sie eine beachtliche Sammlung aufgebaut. »Es gibt sogar einen Raum im MIAC, im Museum of Indian Arts and Culture, der als Buchsbaum-Galerie bekannt ist.« Bis vor Kurzem habe ihre Mutter dort als Dozentin gearbeitet und Führungen gegeben. Bis zu ihrer Pensionierung war sie zudem Geschäftsführerin der Jewish Federation of Greater New Orleans. »Seit den 60er-Jahren ist sie eine leidenschaftliche Bürgerrechtsaktivistin. Solange ich denken kann, hat sie sich für soziale Gerechtigkeit eingesetzt, für die jüdische, für afroamerikanische und – seitdem meine Eltern in Santa Fe leben – für die Rechte der Native Americans.«
Vater Bil, der früher Anlageberater war, arbeitet bis heute ehrenamtlich für die Cancer Foundation for New Mexico und sei Vorstandsvorsitzender von Mentoring Kids Works NM, einem Lernhilfeprogramm. Außerdem nehme Bil seinen Malteser-Therapiehund Beau mit in Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen, um schwerkranke Menschen aufzumuntern.
Ihre Eltern seien ihr großes Vorbild, sagt Allison Buchsbaum. »Sie zeigen, wie man lange aktiv und vital sein kann, wenn man das, was man liebt, mit Elan tut. Und dabei nie ganz zum Stillstand kommt.«