Ehrung

»Mit moralischer Autorität«

WJC-Präsident Ronald Lauder und LBI-Präsident David G. Marwell überreichen die Medaille an Frank-Walter Steinmeier (v.l.). Foto: Leo Baeck Institute – Jennifer Rodewald

Bundespräsident Frank-Walter Stein­meier hat am Donnerstag vergangener Woche in New York die Leo-Baeck-Medaille des Leo Baeck Institute (LBI) entgegengenommen. In seiner Laudatio auf Steinmeier sagte der Präsident des Jüdischen Weltkongresses (WJC), Ronald S. Lauder, dass er sich keinen verdienteren Preisträger vorstellen könne.

Das Leo Baeck Institute, dass sich der Erforschung der deutsch-jüdischen Geschichte und Kultur verschrieben hat, ehre in Steinmeier einen Freund der jüdischen Gemeinschaft und Wortführer im Kampf gegen den Antisemitismus. »In einer Zeit, in der zu viele Staats- und Regierungschefs schweigen, gibt es einen Mann, der energisch und mit großer moralischer Autorität seine Stimme erhebt, und das sind Sie, Herr Präsident«, lobte Lauder an Steinmeier gewandt.

Deutschland habe sich wie kein anderer Staat seiner grausamen Vergangenheit gestellt und die notwendigen Konsequenzen aus der Geschichte gezogen. »Präsident Steinmeier hat auf seine eigene Art deutlich gemacht, dass die Sicherheit und Freiheit Israels und der jüdischen Gemeinden in Deutschland im Grundgesetz der Bundesrepublik verankert sind«, sagte Lauder.

zoom Noch bevor Lauder das Wort ergriff, spielten die Veranstalter für die Gäste im Saal des Center for Jewish History und für diejenigen, die die Veranstaltung via Zoom verfolgten, eine Grußbotschaft des ehemaligen amerikanischen Außenministers und jetzigen US-Sondergesandten für das Klima, John Kerry, ein. Der Weggefährte Steinmeiers dankte seinem ehemaligen Amtskollegen für dessen Ratschläge und Freundschaft.

»Ein besseres Gegenüber als Frank-Walter hätte ich mir nicht wünschen können«, sagte Kerry. Nur wenige Beziehungen hätten seine Amtszeit als Außenminister überdauert. Er sei daher sehr glücklich, Steinmeier seinen Freund nennen zu dürfen.

Freundschaft und Versöhnung zogen sich als Motive auch durch die Dankesrede des Bundespräsidenten.

Freundschaft und Versöhnung zogen sich als Motive auch durch die Dankesrede des Bundespräsidenten. Er fühle sich zutiefst geehrt, die Leo-Baeck-Medaille entgegenzunehmen, die den Namen »eines der bedeutendsten jüdisch-deutschen Gelehrten« trage.

neuanfang Rabbiner Leo Baeck, der seit der Gründung des Instituts 1955 bis zu seinem Tod ein Jahr später der erste Präsident der nach ihm benannten Einrichtung war, sei am Ende des Zweiten Weltkriegs verständlicherweise zutiefst enttäuscht und verbittert gewesen, erinnerte Steinmeier.

Bezug nehmend auf Baecks resigniert gezogenes Fazit, dass »die Epoche der Juden in Deutschland ein für alle Mal beendet« sei, erklärte der Bundespräsident, er empfinde eine tiefe Verantwortung, »dazu beizutragen, dass es über alle Abgründe hinweg einen neuen Anfang geben kann, ein neues jüdisches Leben in Deutschland«.

Steinmeier dankte Persönlichkeiten wie den Schoa-Überlebenden Margot Friedländer und Kurt Marx, den ehemaligen israelischen Staatspräsidenten Schimon Peres und Reuven Rivlin sowie Schriftstellern wie David Grossman und Amos Oz für ihre zur Versöhnung ausgestreckten Hände.

dankbarkeit Der Bundespräsident betonte auch, wie dankbar er im Namen seines Landes zudem denen sei, die sich aktiv am jüdischen Leben in Deutschland beteiligten. Er hob Menschen wie die in der Ukraine geborene Politikerin Marina Weisband hervor.

»Jüdisches Leben in Deutschland – das verdanken wir Menschen wie ihr – ist heute wieder lebendig, vielfältig und in die Zukunft gewandt. Welch unermessliches Glück für unser Land!«

Deutschland nehme das »Geschenk der Versöhnung« nicht leichtfertig entgegen.

Wie WJC-Präsident Lauder bemerkte auch Steinmeier, dass sich jüdische Menschen in Europa und Deutschland angesichts steigender antisemitisch motivierter Vorfälle zunehmend bedroht fühlten. »Wie sehr wünschte ich mir, sagen zu können, dass jüdisches Leben in Deutschland heute selbstverständlich ist, dass jüdische Einrichtungen nicht mehr geschützt werden müssten«, sagte er.

Die Situation beschäme ihn und mache ihn zornig, so der Bundespräsident. Steinmeier lobte die Organisatoren des Jubiläums- und Festjahres »1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland«. Er hoffe, dass die vielfältigen Veranstaltungen vielen Leuten gezeigt hätten, dass jüdisches Leben seit Jahrhunderten zu Deutschland gehöre.

Sein Land nehme das »unendlich kostbare Geschenk der Versöhnung« nicht leichtfertig entgegen. Es bleibe zerbrechlich und müsse verteidigt werden. In Deutschland dürfe Antisemitismus nicht geduldet werden. »Nur wenn Jüdinnen und Juden in Deutschland wieder vollkommen zu Hause sind, sich vollkommen sicher fühlen, nur dann ist Deutschland ganz bei sich«, schloss er.

Merkel Die Leo-Baeck-Medaille wird seit 1979 an Persönlichkeiten verliehen, die sich um das Andenken der deutschsprachigen Juden besonders verdient gemacht haben. Zu den früheren Preisträgern gehören die geschäftsführende Bundeskanzlerin Angela Merkel sowie zwei Amtsvorgänger Steinmeiers, die ehemaligen Bundespräsidenten Johannes Rau und Joachim Gauck.

Gegründet wurde das Leo Baeck Institute 1955 von jüdisch-deutschen Immigranten in den Vereinigten Staaten. Neben dem Namensgeber gehören deutschsprachige Intellektuelle wie Martin Buber und Hannah Arendt zu den Gründungsmitgliedern. Ihr Anliegen war die Bewahrung der reichen und lebendigen deutsch-jüdischen Kultur vor und während des Zweiten Weltkriegs.

KZ-Gedenkstätte Auschwitz

Israels Präsident Isaac Herzog und Eli Sharabi beim »Marsch der Lebenden«

Auf dem Weg von Auschwitz nach Birkenau sind diesmal auch ehemalige israelische Geiseln der Hamas dabei. Israels Präsident Herzog erinnerte an die weiterhin in Gaza gefangen gehaltenen israelischen Geiseln

 24.04.2025

Griechenland

Restauration des Grauens

In Thessaloniki werden zwei Eisenbahnwaggons aus der Nazizeit restauriert. Zur Erinnerung daran, was 50.000 Menschen angetan wurde

von Wassilis Aswestopoulos  24.04.2025

Tod von Papst Franziskus

Warum Israels Regierung nicht kondoliert hat

Die Hintergründe

von Michael Thaidigsmann  23.04.2025

Ungarn

Die unmögliche Geige

Dies ist die zutiefst berührende Geschichte eines Musikinstruments, das im Todeslager Dachau gebaut und 70 Jahre später unweit vom Balaton wiedergefunden wurde

von György Polgár  23.04.2025

Großbritannien

Haltung zu Israel: Streit beim jüdischen Dachverband

Ein offener Brief, der von der Financial Times veröffentlicht wurde, hat zu Verwerfungen innerhalb des Board of Deputies of British Jews geführt

von Michael Thaidigsmann  22.04.2025

Großbritannien

Genie und Monster

Der Autor Mark Rosenblatt hat eine Abrechnung mit Roald Dahls Judenhass auf die Bühne gebracht. Und wurde nun ausgezeichnet

von Sophie Albers Ben Chamo  22.04.2025

Schweden

Trauer um Walter Frankenstein

Der gebürtige Berliner überlebte den Holocaust in der Illegalität

 22.04.2025

USA

Der Lautsprecher

Howard Lutnick gibt sich als Architekt der amerikanischen Zollpolitik. Doch der Handelsminister macht sich mit seiner aggressiven Art im Weißen Haus zunehmend Feinde

von Sebastian Moll  18.04.2025

Medien

Noa Argamani ist auf der »Time 100«-Liste

Alljährlich präsentiert das »Time Magazine« die 100 einflussreichsten Menschen der Welt. 2025 ist auch eine freigelassene israelische Geisel dabei

 17.04.2025