Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat am Donnerstag vergangener Woche in New York die Leo-Baeck-Medaille des Leo Baeck Institute (LBI) entgegengenommen. In seiner Laudatio auf Steinmeier sagte der Präsident des Jüdischen Weltkongresses (WJC), Ronald S. Lauder, dass er sich keinen verdienteren Preisträger vorstellen könne.
Das Leo Baeck Institute, dass sich der Erforschung der deutsch-jüdischen Geschichte und Kultur verschrieben hat, ehre in Steinmeier einen Freund der jüdischen Gemeinschaft und Wortführer im Kampf gegen den Antisemitismus. »In einer Zeit, in der zu viele Staats- und Regierungschefs schweigen, gibt es einen Mann, der energisch und mit großer moralischer Autorität seine Stimme erhebt, und das sind Sie, Herr Präsident«, lobte Lauder an Steinmeier gewandt.
Deutschland habe sich wie kein anderer Staat seiner grausamen Vergangenheit gestellt und die notwendigen Konsequenzen aus der Geschichte gezogen. »Präsident Steinmeier hat auf seine eigene Art deutlich gemacht, dass die Sicherheit und Freiheit Israels und der jüdischen Gemeinden in Deutschland im Grundgesetz der Bundesrepublik verankert sind«, sagte Lauder.
zoom Noch bevor Lauder das Wort ergriff, spielten die Veranstalter für die Gäste im Saal des Center for Jewish History und für diejenigen, die die Veranstaltung via Zoom verfolgten, eine Grußbotschaft des ehemaligen amerikanischen Außenministers und jetzigen US-Sondergesandten für das Klima, John Kerry, ein. Der Weggefährte Steinmeiers dankte seinem ehemaligen Amtskollegen für dessen Ratschläge und Freundschaft.
»Ein besseres Gegenüber als Frank-Walter hätte ich mir nicht wünschen können«, sagte Kerry. Nur wenige Beziehungen hätten seine Amtszeit als Außenminister überdauert. Er sei daher sehr glücklich, Steinmeier seinen Freund nennen zu dürfen.
Freundschaft und Versöhnung zogen sich als Motive auch durch die Dankesrede des Bundespräsidenten.
Freundschaft und Versöhnung zogen sich als Motive auch durch die Dankesrede des Bundespräsidenten. Er fühle sich zutiefst geehrt, die Leo-Baeck-Medaille entgegenzunehmen, die den Namen »eines der bedeutendsten jüdisch-deutschen Gelehrten« trage.
neuanfang Rabbiner Leo Baeck, der seit der Gründung des Instituts 1955 bis zu seinem Tod ein Jahr später der erste Präsident der nach ihm benannten Einrichtung war, sei am Ende des Zweiten Weltkriegs verständlicherweise zutiefst enttäuscht und verbittert gewesen, erinnerte Steinmeier.
Bezug nehmend auf Baecks resigniert gezogenes Fazit, dass »die Epoche der Juden in Deutschland ein für alle Mal beendet« sei, erklärte der Bundespräsident, er empfinde eine tiefe Verantwortung, »dazu beizutragen, dass es über alle Abgründe hinweg einen neuen Anfang geben kann, ein neues jüdisches Leben in Deutschland«.
Steinmeier dankte Persönlichkeiten wie den Schoa-Überlebenden Margot Friedländer und Kurt Marx, den ehemaligen israelischen Staatspräsidenten Schimon Peres und Reuven Rivlin sowie Schriftstellern wie David Grossman und Amos Oz für ihre zur Versöhnung ausgestreckten Hände.
dankbarkeit Der Bundespräsident betonte auch, wie dankbar er im Namen seines Landes zudem denen sei, die sich aktiv am jüdischen Leben in Deutschland beteiligten. Er hob Menschen wie die in der Ukraine geborene Politikerin Marina Weisband hervor.
»Jüdisches Leben in Deutschland – das verdanken wir Menschen wie ihr – ist heute wieder lebendig, vielfältig und in die Zukunft gewandt. Welch unermessliches Glück für unser Land!«
Deutschland nehme das »Geschenk der Versöhnung« nicht leichtfertig entgegen.
Wie WJC-Präsident Lauder bemerkte auch Steinmeier, dass sich jüdische Menschen in Europa und Deutschland angesichts steigender antisemitisch motivierter Vorfälle zunehmend bedroht fühlten. »Wie sehr wünschte ich mir, sagen zu können, dass jüdisches Leben in Deutschland heute selbstverständlich ist, dass jüdische Einrichtungen nicht mehr geschützt werden müssten«, sagte er.
Die Situation beschäme ihn und mache ihn zornig, so der Bundespräsident. Steinmeier lobte die Organisatoren des Jubiläums- und Festjahres »1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland«. Er hoffe, dass die vielfältigen Veranstaltungen vielen Leuten gezeigt hätten, dass jüdisches Leben seit Jahrhunderten zu Deutschland gehöre.
Sein Land nehme das »unendlich kostbare Geschenk der Versöhnung« nicht leichtfertig entgegen. Es bleibe zerbrechlich und müsse verteidigt werden. In Deutschland dürfe Antisemitismus nicht geduldet werden. »Nur wenn Jüdinnen und Juden in Deutschland wieder vollkommen zu Hause sind, sich vollkommen sicher fühlen, nur dann ist Deutschland ganz bei sich«, schloss er.
Merkel Die Leo-Baeck-Medaille wird seit 1979 an Persönlichkeiten verliehen, die sich um das Andenken der deutschsprachigen Juden besonders verdient gemacht haben. Zu den früheren Preisträgern gehören die geschäftsführende Bundeskanzlerin Angela Merkel sowie zwei Amtsvorgänger Steinmeiers, die ehemaligen Bundespräsidenten Johannes Rau und Joachim Gauck.
Gegründet wurde das Leo Baeck Institute 1955 von jüdisch-deutschen Immigranten in den Vereinigten Staaten. Neben dem Namensgeber gehören deutschsprachige Intellektuelle wie Martin Buber und Hannah Arendt zu den Gründungsmitgliedern. Ihr Anliegen war die Bewahrung der reichen und lebendigen deutsch-jüdischen Kultur vor und während des Zweiten Weltkriegs.