Allein mit Fakten lässt sich sein Werdegang nicht erfassen. Patrick Drahi kaufte kürzlich für 3,7 Milliarden Dollar das amerikanische Auktionshaus Sotheby’s. Wer ist dieser Mann?
Als geheimnisvoll bezeichnet ihn der Philosoph Bernard-Henri Lévy, der ihm 2015 den renommierten Scopus-Preis der Jerusalemer Universität verlieh. Drahi hat den Biss des Aufsteigers, der weiß, dass nur Leistung und Furchtlosigkeit zum Erfolg führen.
Biografie 1963 in Casablanca geboren, emigrierte er mit seinen jüdisch-marokkanischen Eltern in den 70er-Jahren nach Frankreich. Er studierte an der Elitehochschule »École Polytechnique«. Heute steht er an der Spitze eines Finanzimperiums, das sich von Telekommunikation über Presse bis zu Kunst erstreckt.
Er zählt zu den 200 wohlhabendsten Männern der Welt, ist einer der drei reichsten Männer Israels. In seinem Reich ist er ein absoluter Herrscher. 60 Prozent hält er an seiner Holding »Altice«. Hinzu kommt eine persönliche Holding.
Der Grundstein für Patrick Drahis Imperium wurde 1990 gelegt, als der Geschäftsmann ein kleines Kabelnetz in der südfranzösischen Stadt Cavaillon kaufte. Den vielen Immigranten dort bot er arabische Sender an.
Kredit In zwei großen Phasen vollzog sich Drahis Aufstieg: Geduldig kaufte er Kabelnetze in ganz Frankreich und investierte ab 2014 Milliarden Euro. Dafür nahm er Riesenkredite auf. Schlaflose Nächte bereitete ihm das nicht, schließlich habe er 1991 mit 50.000 Euro Schulden begonnen, sagt er.
Sein nächster strategischer Move galt der Presse: Dem Aufkauf von »Libération« und »L’Express« folgte der Aufbau von E-Kiosken.
Schulden sind wie Zahlen: Sie haben keine Aussagekraft ohne Kontext. Drahi setzt auf seine Aktiva mit hohem Cashflow. Außerdem weiß er die Finanzwelt auf seiner Seite, die Deutsche Bank, JP Morgan, die BNP. Zupass kommt Drahi die Besteuerung in der Schweiz. Zu seiner Steuersituation sagt er, wenn jemand in Frankreich lebt und in der Schweiz ein Konto hat, dann ist das Steuerbetrug. Jemand, der irgendwo auf der Welt lebe und seine Steuer optimiere, sei einfach nur schlau.
Drahi ist ein Kostenkiller. Seine Restrukturierung der aufgekauften Firmen ist berüchtigt: Seine Zulieferer hat er im Griff, Stellen werden gekürzt. Ganz koscher, oder wie man in Frankreich zu sagen pflegt »pas très catholique«, scheint es bei Drahi nicht immer zuzugehen. Konkurrenten werden schachmatt gesetzt, abhängig gemacht zum Beispiel durch Drahis Marktmacht im Glasfasernetzausbau. Auch ist von kartellrechtlichen Fragen, Absprachen die Rede.
Information sieht Patrick Drahi allumfassend: Technik und Inhalt. Deshalb galt sein nächster strategischer Move der Presse. Dem Aufkauf von »Libération« und »L’Express« folgte der Aufbau von E-Kiosken.
Tel Aviv Sein Wirkungsradius beschränkt sich nicht auf Frankreich und Amerika. Begeistert von Tel Aviv, ließ er sich im Rothschild Tower nieder. Drahi erhielt 2012 die doppelte Staatsbürgerschaft. Er finanzierte ein Hirnforschungszentrum und investierte in den israelischen Infokanal I 24. Journalisten der Altice-Gruppe interviewten auf Drahis Sender alsbald den damaligen französischen Premierminister Manuel Valls. Mit »Libération«-Journalisten reiste er nach Israel. Kritik ließ nicht auf sich warten. Wie Drahi der altbekannte Vorwurf der Weltverschwörung entgegenschallte, so werden nun Stimmen laut von Drahis »israelischer Propagandamaschinerie«.
Drahis Eindringen in den Zirkel der Milliardäre könnte weitere Überraschungen bieten. François Pinault, im Aufsichtsrat von Drahis Konkurrenten Bouygues, hat seiner Holding das Auktionshaus Christie’s einverleibt. Mit Drahis Griff nach Sotheby’s stehen sich jetzt zwei Giganten der französischen Hochfinanz gegenüber: ein Milliardär von Vaters Gnaden und ein sefardischer Jude mit Köpfchen.
Das Kopf-an-Kopf-Rennen wird stattfinden, in einem Markt, dessen Grenzen noch nicht absehbar sind, einem Markt, der sich längst von der Realität abgekoppelt hat, dem der Kunst – dem letzten unregulierten Markt der Welt.