Hinter Philip Rosenberg liegen ereignisreiche Wochen. Der Labour-Politiker hat nämlich vor ein paar Wochen über seine Erfahrungen als Jude in seiner Partei ausgepackt – und nun erntet er endlich Reaktionen.
Während man schon oft und viel über antisemitische Vorfälle auf der großen, der nationalen Ebene von Labour gehört hat, berichtete Rosenberg nun von dem, was er an der Basis erleben musste, in seinem Ortsverein im Londoner Bezirk West Hampstead, wo er auch als Stadtrat tätig ist.
widerspruch Neben diesem Posten macht er auch die Öffentlichkeitsarbeit des jüdischen Dachverbands Board of Deputies. Nie hat er sich vorstellen können, dass das auf einmal nicht mehr zueinander passt, dass es zum Widerspruch werden könnte. Doch das gehört zu seinen Erlebnissen.
Seit 2011 ist er Mitglied bei Labour, schon als Teenager begeisterte er sich für die Arbeiterpartei. »Wegen ihres Gelübdes für die Gleichberechtigung«, sagt Rosenberg. Als Ed Miliband Parteichef war, wurde er Mitglied. »Als Miliband von der Rechten übel angegriffen wurde, glaubten viele in der Partei, das geschehe, weil Miliband Jude ist. Es fühlte sich durchaus solidarisch an«, erinnert sich Rosenberg.
Im Mai 2014 wurde Rosenberg schließlich selbst in ein politisches Amt gewählt. Ein Jahr später verlor Miliband die Parlamentswahl, und mit seinem Rücktritt wurde Jeremy Corbyn, vorher am linken Rand der Partei aktiv, neuer Parteichef. Etwa 200.000 neue Mitglieder traten Labour bei. Viele von ihnen aus ultralinken Kreisen, wie Rosenberg anmerkt.
nörgler Corbyns Amtsantritt war auch der Beginn von Rosenbergs schlechten Erfahrungen. Plötzlich wurde er nicht mehr nur als Stadtrat gesehen, sondern Genossen problematisierten auf einmal sein Judentum. »Ein älterer Mann, der schon immer ein Nörgler war und linksaußen steht, kritisierte urplötzlich, dass ich mich für einen Eruv im Norden von London ausgesprochen hatte«, erzählt er. Rosenberg hätte dem doch nur zugestimmt, sagte der Nörgler, weil er Jude ist.
Zunächst ignorierte Rosenberg diese Angriffe, doch bald meldete sich derselbe Mann wieder: Rosenberg habe bei einem lokalen Treffen die Parteimitglieder unzureichend informiert, er »verhalte sich wie Goebbels«, schrieb der Mann an die Lokalpresse. Die Attacke erschien am Holocaust-Gedenktag.
Rosenberg forderte eine Entschuldigung, aber der Mann lehnte ab. »Er sei kein Antisemit, da der beste Freund des Vaters Jude war«, gibt Rosenberg dessen Antwort wieder. Besorgt verständigte Rosenberg den Bezirksverband. Da geschah nichts. Erst als der Vorfall nach ganz oben, an die Parteizentrale, gemeldet wurde, wurde der Bedränger für sechs Wochen suspendiert.
muslime Rosenberg versteht nicht, warum Labour so zurückhaltend mit der Bestrafung antisemitischer Vergehen ist. Er erinnert daran, dass auch der ehemalige Londoner Bürgermeister Ken Livingstone, der Zionisten mit Nazis gleichgesetzt hatte, lediglich suspendiert wurde. Zur Seite stehen Rosenberg vor allem Muslime, erzählt er. »Sie verstehen die Mechanismen des unterschwelligen Rassismus«, vermutet er.
Rosenberg nennt die, von denen die Ausfälle kommen, »weiße ultralinke Möchtegern-Intellektuelle«. Besonders irritiert ist er über Feindseligkeiten, die von jüdischen Ultralinken kommen; solche Leute gebe es in seinem Bezirk viele. »Sie wollen partout nicht wahrhaben, dass es Antisemitismus in ihrer Partei gibt.«
Als etwa die Parlamentsabgeordnete von Kilburn und West Hampstead, Tulip Siddiq, sich explizit gegen den Antisemitismus in ihrer Partei aussprach, wurde sie von solchen Parteimitgliedern angegriffen. Ein anderes Mal hätten dieselben Leute beinahe einen Antrag verhindert, der die Richtlinien bezüglich Rassismus und Antisemitismus verschärfen sollte.
anträge Für Philip Rosenberg war das Maß voll, als auf sieben der vergangenen neun lokalen Parteitage Anträge zur Verurteilung Israels gestellt wurden. »Trotz Syrien, trotz Myanmar, trotz wirklicher lokaler Probleme vor Ort in London!« Einer der Anträge bezog sich sogar auf »Einfluss und Finanzen Israels«, berichtet er empört.
Seit ein paar Wochen weigert sich Rosenberg, zu den Parteitreffen zu kommen. Auch sein Amt als Stadtrat will er nicht mehr verteidigen, hat er verkündet. Erst diese Haltung hat dazu geführt, dass sich Menschen in der Partei mit ihm solidarisieren. Und erst jetzt will sich der Parteivorstand mit ihm treffen und seine Erfahrungen hören. »Auch andere Parteien haben Rassisten, aber sie greifen dagegen konsequent durch«, sagt er, »im Gegensatz zu der Partei, die traditionell für Antirassismus und Gleichberechtigung steht.«