Am Ende war es eine deutliche Sache: Mit 116 zu 30 Stimmen nahm das niederländische Parlament in Den Haag am Dienstag einen Antrag der Tierschutzpartei an, der das Betäuben von Schlachttieren allgemein verbindlich macht. Bislang waren Juden und Muslime von dieser Regelung ausgenommen. Offiziell sind damit koscheres und halal Schlachten verboten.
Allerdings soll es auch künftig Ausnahmen geben: Schächten ist weiterhin zulässig, wenn wissenschaftlich nachgewiesen werden kann, dass das Leid der Tiere dabei nicht größer wird als bei konventionellen Schlachtmethoden. Diese Modifizierung geht auf eine Initiative linker und liberaler Parteien zurück. Ziel war es, den Tierschutz zu verbessern, ohne damit die Religionsfreiheit »unnötig einzuschränken«. Eine nächtliche Debatte in der Vorwoche ergab, dass eine Mehrheit des Parlaments in dieser Variante einen annehmbaren Kompromiss sieht.
Enttäuschung Jüdische Organisationen sehen das deutlich anders. In einer gemeinsamen Stellungnahme erklären die Nederlands- Israëlitisch Kerkgenootschap (NIK), die orthodoxe Gemeinde Amsterdam (NIHS) und das Beratungsorgan jüdischer Organisationen (CJO) ihre »Enttäuschung und Trauer«. Auch nach der Änderung sei das Gesetz »für die jüdische Gemeinschaft inakzeptabel«, da es wie der ursprüngliche Entwurf von einem »Totalverbot« ausgehe. Dass die Zulässigkeit der Schechita ausschließlich von einem Test über das Wohl der Tiere abhängt, verkenne die verfassungsgemäße Religionsfreiheit. Um dies zu verhindern, wollen NIK, NIHS und CJO notfalls bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg ziehen.
Mit Bestürzung reagierte die Europäische Rabbinerkonferenz in Brüssel auf die Abstimmung. Der frisch gekürte Präsident Rabbiner Pinchas Goldschmidt sagte, Juden könnten dadurch in den Niederlanden kein jüdisches Leben mehr führen. Sie seien »praktisch nicht länger willkommen«.
Religionsfreiheit Luuk Kolle, Chef der Amsterdamer Slagerij Marcus, des einzigen koscheren Schlachthauses der Niederlande, differenziert: »Was die Religionsfreiheit betrifft, ist es natürlich eine Schande. Doch immerhin ist die Ausnahmeregelung mit ins Gesetz aufgenommen.« Koole ist überzeugt davon, dass er diesen Kriterien entspricht. Und außerdem: »Das Gesetz muss noch durch den Senat.«
Darin sieht Kolle eine Chance. Er hatte bereits vor der Abstimmung spontan Parlamenstmitglieder eingeladen, ihm bei seiner Arbeit zuzusehen. Die einzige, die auf das Angebot einging, war Esmé Wiegman von der calvinistischen Christen Union (CU). »Hätten Kollegen dies wie ich mit eigenen Augen gesehen, würden sie sich nicht so gegen koscheres Schlachten wehren«, folgerte Wiegman. »Es ist eine humane Praktik, die das Tierwohl respektiert.«
Unterdessen hat die NIK vor dem Gerichtshof in Arnheim Klage gegen die Universität Wageningen eingereicht. Deren Gutachten, nach dem rituelles Schlachten das Leiden der Tiere verschlimmert, ist die Grundlage des Gesetzesantrags der Tierschutzpartei. Die NIK bezweifelt, dass es sich hier um eine wissenschaftliche Untersuchung handelt. In den nächsten Wochen wird das Urteil erwartet.