Was sagt die jüdische Gesetzesauslegung zu Abtreibung und Sterbehilfe? Erlaubt der Talmud Tierexperimente zu medizinischen Zwecken? Wie verhält sich das Judentum zu Hormonbehandlung und Leihmutterschaft? Das sind Fragen, die den dänischen Arzt Henri Goldstein seit Jahren bewegen.
Seit seiner Doktorarbeit über vorgeburtliche Diagnostik hat sich Goldstein in zahlreichen Büchern und Artikeln mit der Verbindung von Judentum, Ethik und Medizin auseinandergesetzt. Bahnbrechend für sein Engagement wurde dabei die Begegnung mit seinem Berliner Kollegen Roman Skoblo, dem Vorsitzenden des »Verbandes jüdischer Ärzte und Psychologen in Berlin«. Skoblo hatte mit großem Erfolg 1988 den ersten Kongress zum Thema »Medizin und Halacha« in Berlin organisiert, es kamen 300 Teilnehmer aus 22 Ländern.
Gesellschaft Acht Jahre später etablierte Goldstein den ersten Kongress zum gleichen Thema in Kopenhagen. Sowohl im Judentum als auch in der Medizin seien ethische Fragen zentral, sagt Goldstein. »Für mich als modernen, praktizierenden Juden ist es dabei besonders wichtig, alle Fragestellungen zu diskutieren, die eine moderne Gesellschaft aufwirft«, begründet der Arzt sein Engagement. Im Januar 2011 lädt er im Namen der jüdischen Gemeinde Kopenhagen zum 4. Internationalen Kongress »Medizin, Ethik und jüdisches Gesetz« ein.
Besonderes Augenmerk soll dem interreligiösen Aspekt gelten. »Die Welt, Europa, das Judentum – all das hat sich verändert«, sagt Goldstein. Religion spiele heute in der alltäglichen Medizin eine größere Rolle als noch vor 20 Jahren, zum Beispiel, wenn man als Arzt mit Menschen verschiedener Religionen zu tun habe. Andere Vorträge, wie der von Roman Skoblo, widmen sich dem Schicksal jüdischer Ärzte in Deutschland unter der Naziherrschaft oder dem Widerstand dänischer Ärzte in den Okkupationsjahren 1940-45.
»Jüdische Medizinethik geht uns alle an, nicht nur streng orthodoxe Juden«, meint Goldstein. »Natürlich lässt sich darüber streiten, was im Einklang mit Talmud und Tora wäre. Aber in einer demokratischen Gesellschaft darf alles offen diskutiert werden.«
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