Queen Elizabeth II. feiert diese Woche ihr 70. Thronjubiläum, und viele Menschen im Vereinigten Königreich feiern mit. Aus Anlass des »Platinum Jubilee« der inzwischen 96 Jahre alten Monarchin findet vom 2. bis 8. Juni im ganzen Land eine »Royal Week« statt mit Höhepunkten wie der »Trooping the Colour«-Parade in London, bei der die Königin wie jedes Jahr ihre Truppen inspiziert, einem besonderen Konzert am Buckingham-Palast und einem Festzug am Jubiläumswochenende.
Das ganze Land ist mit Fähnchen geschmückt, es gibt Gartenpartys, Tea Partys, viele besondere Veranstaltungen – aber auch manch meschuggenes Event, von »Jubilee Zumba« bis hin zu einem Dragqueen-Wettrennen.
OBERRABBINER Auch für viele jüdische Briten ist das Jubiläum ein besonderer Anlass. So ließ der britische Oberrabbiner Ephraim Mirvis extra ein Gebet veröffentlichen, in dem der Queen viele weitere gesegnete Jahre gewünscht werden und der gesamten königlichen Familie gute Gesundheit.
Nach Israel gereist ist die Queen in den 70 Jahren nie.
In einem Kommentar in der Wochenzeitung »Jewish News« schrieb Mirvis kürzlich, dass die wahre Ehre der Queen aus der Ehre erwachse, die sie anderen zuteilwerden lasse, etwa, wenn sie alljährlich verschiedene Verdienstorden verleiht.
Über seine eigenen Erfahrungen mit der Königin, zu denen auch eine Nacht als Gast in Windsor zählen, »wo man alles tat, um den koscheren Anforderungen gerecht zu werden«, schrieb Mirvis, Queen Elizabeth empfinde eine natürliche Liebe für andere Menschen und sei stets darum bemüht, sicherzustellen, dass sich alle wohlfühlten.
Weiter unterstrich der Chief Rabbi, dass der jüdischen Gemeinschaft, aber auch ihm selbst von ihrer Majestät wahrhaftes Interesse und Respekt entgegengebracht worden seien. Als Beispiel nannte er, dass die Queen die Schirmherrschaft für den interreligiösen christlich-jüdischen Rat sowie für den Holocaust Memorial Day Trust übernahm. Die Organisation hält im Vereinigten Königreich die Erinnerung an die Geschichte der Schoa wach. Inzwischen hat Prinz Charles die Schirmherrschaft übernommen.
AUSCHWITZ Nach Israel gereist ist die Königin in ihren 70 Jahren allerdings nie. Manche Juden nehmen ihr das übel. Doch Derartiges ist im Grunde die Angelegenheit des britischen Außenministeriums, das solche Reisen plant. In Großbritannien selbst – und das ist Teil ihrer eigenen Planung – besuchte die Königin im Laufe der Jahre zahlreiche Synagogen. Während sie bei einer Polen-Reise im Jahr 1996 nicht die Gedenkstätte Auschwitz besuchte, besichtigte sie aber 2015 das einst von britischen Truppen befreite Konzentrationslager Bergen-Belsen.
Und immerhin reisten sowohl Prinz Philip als auch Prinz Charles und Prinz William nach Israel. Vor allem Prinz Philip soll durch seine Mutter, Prinzessin Alice, jüdischen Menschen nahegestanden haben: Sie versteckte im Zweiten Weltkrieg in Griechenland eine jüdische Familie vor den deutschen Besatzern. Alice liegt heute in Jerusalem begraben und wurde von der Jerusalemer Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem als »Gerechte unter den Völkern« geehrt. Ihren Sohn Philip ließ Prinzessin Alice von dem deutsch-jüdischen Pädagogen und Gründer des Internats Schloss Salem, Kurt Hahn, nach dessen Flucht aus Deutschland an der schottischen Schule Gordonstoun erziehen.
Gern erzählt man sich in jüdischen Kreisen, dass die Queen und Prinz Philip den jüdischen Arzt und Mohel Jacob Snowman einbestellten, um Prinz Charles und wahrscheinlich auch seine Brüder, die Prinzen Andrew und Edward, zu beschneiden.
HOFLIEFERANTEN Zu den weiteren Juden, die der Queen zu Diensten sind, gehören zum Beispiel der Handtaschenmacher Sam Launer (er wird zum Jubiläum eine limitierte Sonderserie herausgeben), außerdem Maßschneider Geoffrey Golding, die 1999 verstorbene und in Wien geborene Handschuhmacherin Cornelia James – inzwischen führt ihre Tochter Genevieve das Geschäft weiter –, das Stoffunternehmen Joel & Son Fabrics von Joel Bull, das Kleidungsunternehmen Moss Bros. sowie das Juweliergeschäft Wartski, das die Trauringe für Prinz William und Herzogin Kate fertigte.
Ältere in der jüdischen Gemeinde Großbritanniens erinnern sich daran, dass die Queen einige Jahre lang auch einen jüdischen Schwager hatte. Der erste Ehemann ihrer Schwester Margaret, der Fotograf Antony Armstrong-Jones, war der erste Jude in der Geschichte, der so hoch in die britische Königsfamilie einheiratete.
Doch die Ehe der beiden hielt nur 18 Jahre und endete in der ersten königlichen Scheidung seit Henry VIII. im 16. Jahrhundert – doch Armstrong-Jones konnte seinen Kopf behalten.
FESTUMZUG Zu den vielen verschiedenen Personen, welche die offiziellen Jubiläumsfeierlichkeiten nun möglich machen, zählen auch einige mit jüdischem Hintergrund. David Zolker aus Salford bei Manchester ist der Direktor des bunten Festzuges mit 10.000 Darstellern zum Jubiläum der Queen am 5. Juni und gilt als einer der Besten seines Fachs. Er hat auch die Feierlichkeiten zur Hochzeit von Prinz William und Herzogin Kate geleitet oder die Eröffnungsveranstaltung der Commonwealth Games, dem britischen Äquivalent der Olympischen Spiele.
Eine jüdische Londonerin, Debbie Wiseman, komponierte den Soundtrack für eine Veranstaltung namens »Galopp durch die Geschichte«, die Mitte Mai auf Schloss Windsor als Teil des Jubiläums stattfand. Hunderte Darsteller und mehr als 500 Pferde nahmen daran teil. Wiseman hat den Ruf, Musik so zu komponieren, dass sie sich für Vorstellungen mit Pferden eignet.
Die Monarchie gilt vielen Juden seit Jahrhunderten als Symbol der Stabilität.
Darüber hinaus bestellte die königliche Familie bei der in London geborenen und heute in Israel lebenden Komponistin Loretta Kay-Feld zwei Lieder zum Jubiläum: »The Queen’s Soliloquy« und »70 Years a Queen«.
tränen Dem »Jewish Chronicle« erzählte die Komponistin, Mitgliedern der Royal Family seien beim Zuhören die Tränen gekommen. Die Inspiration zu den beiden Kompositionen habe sie bei einem Spaziergang nahe des Strands von Ra’anana in Israel gehabt. Kay-Feld, die einst für die Kinderserie Sesamstraße komponierte, schuf auch Lieder mit jüdischen und israelischen Akzenten und wurde einst von Israels legendärer Premierministerin Golda Meir dafür gelobt.
Als Rabbiner der Gemeinde in Maidenhead, die der königlichen Residenz Windsor Castle am nächsten gelegen ist, glaubt Jonathan Romain, die Queen gut einschätzen zu können. Dem »Daily Telegraph« sagte er, das Verhältnis zwischen der Krone und den Juden sei »immens wichtig«. »Trotz einiger Schwierigkeiten hier und da hat man Juden in Großbritannien stets willkommen geheißen und ihnen eine tolerante Gesellschaft geboten.« Die Monarchie sei für die jüdische Gemeinschaft seit Jahrhunderten ein Symbol der Stabilität.
Kein Wunder also, dass viele jüdische Briten diese Woche mitfeiern. Mazel tov, Your Majesty!