Selbst wer selten Zeitung liest, nicht Teil der jüdischen Gemeinschaft ist und wenig über Kosmetikprodukte weiß, dafür aber an guten Kinofilmen interessiert ist, wird den Namen Ronald S. Lauder wohl schon einmal gehört haben, und zwar in dem Film Die Frau in Gold. Dieser dreht sich um die bewegende Geschichte von Maria Altmann und ihren Kampf um das Gemälde »Adele Bloch-Bauer I« von Gustav Klimt. Die Nazis hatten das Bild ihrer Familie in Wien gestohlen. Lauder persönlich, gespielt von Ben Miles, wollte ihr helfen und bot an, einen teuren Anwalt zu besorgen. Altmann jedoch lehnte dankend ab.
Was in dem Film nicht thematisiert wird: Jahre später kaufte ihr Lauders »Neue Galerie New York« das Gemälde für satte 135 Millionen Dollar ab. Altmann stellte eine Bedingung: Das Bild sollte in einer permanenten Ausstellung immer sichtbar bleiben. So kam es dann. Schließlich handelt es sich sowohl aufgrund seiner Geschichte als auch seiner Schönheit wegen um eines der berühmtesten Gemälde des 20. Jahrhunderts.
Energisch und engagiert
Damit zeigen sich bereits zwei von gleich mehreren Facetten dieser engagierten Persönlichkeit: Lauder ist zum einen ein passionierter Kunstsammler. Mit einem geschätzten Vermögen von rund 4,5 Milliarden Dollar verfügt er über die erforderlichen Mittel. Der heute vor 80 Jahren, am 26. Februar 1944, geborene Ronald Lauder erbte gemeinsam mit seinem elf Jahre älteren Bruder Leonard das Kosmetik-Unternehmen Estée Lauder, das 1946 von ihren Eltern Estée und Joseph Lauder gegründet und nach seiner Mutter benannt wurde.
Ein Mann mit einem solchen Vermögen könnte sich eigentlich auf eine Karibikinsel zurückziehen und den ganzen Tag am Swimmingpool chillen. Für Ronald Lauder kam dies nie infrage. So stieg er im Alter von 20 Jahren als Chef der Internationalen Abteilung ins Unternehmen der Eltern ein. Und als ihm US-Präsident Ronald Reagan 22 Jahre später den Posten eines Botschafters in Wien anbot, sagte er sofort zu. Zuvor war Ronald Lauder bereits Staatssekretär im Pentagon gewesen.
Einige Jahrzehnte später, und zwar im Februar 2018, hielt er eine Rede in der Synagoge von Bulgariens Hauptstadt Sofia. Sein erster Satz damals lautete: »Mir ist kalt.« Denn die Heizung des Gotteshauses war defekt, und eine Reparatur konnte sich die Gemeinde schlicht nicht leisten. Lauder sagte spontan zu, dafür aufzukommen.
Im selben Jahr arbeitete »Schalom«, die Dachorganisation der bulgarischen Juden, an einem großen Projekt, und zwar dem Bau eines jüdischen Kindergartens. »Nein«, sagte Lauder damals. »Wir müssen größer denken. Wir bauen zwei Gebäude – eines für den Kindergarten und eines für eine Schule.« Dies ist nur eines von vielen Beispielen dafür, wie Lauder jüdischen Gemeinden in den ehemaligen Ostblockstaaten mit seiner 1987 ins Leben gerufenen Ronald S. Lauder Foundation unter die Arme greift.
Multiplikator jüdischen Wissens
Die Lauder-Morasha-Schule in Warschau sollte eine der ersten Bildungseinrichtungen sein, die Lauder unterstützte. Fast acht Jahrzehnte nach der Schoa, die das polnische Judentum fast vollständig vernichtet hatte, kommt dieser Schule bei der Stärkung des jüdischen Lebens eine ganz besondere Rolle zu. Wer dort lernt, ist quasi ein Multiplikator jüdischen Wissens.
Neben den regulären, nationalen Lehrplänen sind Hebräisch, jüdische Traditionen und Religion zentrale Bestandteile des Curriculums an der Lauder-Morasha-Schule wie auch an ihrer Schwester-Einrichtung, der Lauder Etz Chaim-Schule in Breslau, sowie weiteren Schulen überall im östlichen Europa. Auch weiter westlich ist die Ronald S. Lauder Foundation aktiv. Prominente Beispiele dafür sind der Lauder-Chabad-Campus in Wien oder das von ihr mitgetragene europäische Büro der Anti-Defamation League. In Deutschland unterstützt man unter anderem das Jüdische Lehrhaus in der Rykestraße in Berlin sowie die Lauder-Morijah-Grundschule in Köln.
Man kann Ronald Lauder als Geschäftsmann, Diplomaten, Kunstsammler und Helfer der osteuropäischen Juden bezeichnen. Und trotzdem hat man ihn damit noch immer nicht komplett erfasst.
Lauder ist einer der wenigen prominenten Amerikaner, die gut Deutsch sprechen. Das stellte er beispielsweise im Mai 2019 in Berlin unter Beweis, als er bei der Vergabe des Leo-Baeck-Preises an den »nichtjüdischen Zionisten« Mathias Döpfner durch den Zentralrat der Juden in Deutschland die Laudatio auf seinen Freund, den Vorstandsvorsitzenden der Axel Springer SE, hielt, mit dem er »stundenlang über Kunst sprechen« könne.
Drei Jahre später konnte man einen sichtlich gealterten Ronald Lauder in einem Video sehen, das viral ging. Der Präsident des Jüdischen Weltkongresses (WJC) – seit 2007 hat er diese Funktion inne – äußerte sich darin zu einem weltweit grassierenden Phänomen: »Es ist an der Zeit, nicht mehr über Antisemitismus zu sprechen. Das Wort hat seine Bedeutung verloren. Antisemitismus muss als das bezeichnet werden, was er ist: Judenhass.«
Deutliche Worte
Es war nicht das erste Mal, dass Lauder so deutliche Worte fand. Antisemiten und Verschwörungstheoretikern bietet er stets Paroli. So attestierte er 2010 angesichts einer grassierenden Gewaltwelle gegen Juden in einem »Schwedens Schande« betitelten Meinungsstück der damaligen Regierung in Stockholm, vor dem Antisemitismus im eigenen Lande kapituliert zu haben. Ferner skandalisierte Lauder die Tatsache, dass man Schwedens diplomatischen Vertreter in Israel angewiesen habe, einen Text von der Website der Botschaft zu nehmen, in dem man sich von der Zeitung »Aftonbladet« distanzierte, nachdem diese behauptet hatte, das israelische Militär würde die Organe ermordeter palästinensischer Kinder verkaufen.
Als WJC-Präsident reagierte Lauder auch auf die Ereignisse des 7. Oktober: »Für das gesamte jüdische Volk erkläre ich, dass wir hinter Israel und seinen Streitkräften stehen.« Bereits Tage später warnte er davor, dass der Krieg gegen die Hamas zu einem größeren Konflikt in der Region ausufern könnte. »Israel sollte nicht in die vom Iran gestellte Falle tappen.« Vor einigen Tagen hielt Lauder unter dem Titel »Hört nie auf, euch vorzustellen, was Frieden bringen kann« in der saudischen Publikation »Arab News« ein Plädoyer für eine Zweistaatenlösung sowie gegen Judenhass und Extremismus.
Traditionell wählen Juden in den Vereinigten Staaten mehrheitlich die Partei der Demokraten. Ronald Lauder ist zwar eindeutig Demokrat – in dem Sinne, dass er diesen Grundwert verteidigt –, aber er ist Republikaner im Sinne der Parteizugehörigkeit. Mit einem demokratiefeindlichen Präsidentschaftskandidaten wie Donald Trump gerät er da in eine Zwickmühle. Denn vor dem Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 in Washington zählte Lauder noch zu den großzügigsten Spendern für Organisationen, die sich für Trump aussprachen.
Nicht alles, was Lauder tut, ist von Erfolg gekrönt. 1989 kämpfte er gegen Rudy Giuliani um die republikanische Kandidatur im Rennen um das Amt des Bürgermeisters von New York – und verlor. Über 30 Jahre später, 2022, unterstützte er den Republikaner Lee Zeldin, der Gouverneur des Bundesstaates New York werden wollte, mit elf Millionen Dollar. Sein ganz persönliches Pech sollte es sein, dass ausgerechnet sein Bruder Leonard Lauder der Amtsinhaberin Kathleen Hochul, einer Demokratin, großzügige Spenden zukommen ließ und sie letztendlich als Siegerin aus dem Rennen hervorging.
Unterstützer des Likud
Ronald Lauder zählt in Israel zu den Unterstützern des Likud, weshalb ihm auch eine Nähe zu Ministerpräsident Benjamin Netanjahu nachgesagt wird. Ob dies nach dem geplanten Umbau des Justizwesens, der Beteiligung von Rechtsextremen an der Regierung oder der Weigerung, für das, was am 7. Oktober geschehen konnte, Verantwortung zu übernehmen, nach wie vor gilt, darüber lässt sich nur spekulieren.
Fakt aber ist: Ronald Lauder führt ein filmreifes Leben. Als Philanthrop und Mäzen hat er sich weltweit in der jüdischen Gemeinschaft einen Namen gemacht. Auch sein Gespür als Geschäftsmann gilt als legendär. Aber er ist auch Privatmann. »Nichts bedeutet mir mehr als meine Familie«, betonte er wiederholt. Mit seiner Frau Jo Carole hat er zwei Töchter, Aerin und Jane, die zumindest im geschäftlichen Bereich bereits in die großen Fußstapfen ihres Vaters getreten sind.