Vor fast 200 Jahren verließ David Sassoon seine Heimatstadt Bagdad und zog ins damalige Bombay, das heutige Mumbai, in eine Villa, die er »Sans Souci« nannte – nach dem Palast von Friedrich dem Großen in Potsdam. Der orthodoxe jüdische Kaufmann ließ auch eine Synagoge errichten. Von Indien aus sollten die Sassoons eine weitverzweigte, multinationale Ost-West-Dynastie gründen, von Indien über Syrien und China bis London, über Generationen hinweg, dem britischen Imperium verpflichtet, aber auch der Kunst, der Literatur und dem Mäzenatentum.
Nun hat das Jewish Museum in New York die reichhaltig ausgestattete Ausstellung The Sassoons eröffnet: Gemälde aus dem 18. und 19. Jahrhundert und Daguerreotypien der Sassoon-Paläste am östlichen Ufer des Tigris in Bagdad, in Bombay und Shanghai, vergoldete Torarollen und eine Haggada, silberne Tabakdosen, antike Heiratsurkunden und Pergamentbände, hebräische Bibeln, chinesische Elfenbeinschnitzereien, Porzellanvasen und Kristall.
BIOGRAFIE David Sassoon wurde 1792 geboren, seine Familie stammte aus dem antiken Mesopotamien. Er selbst führte seine Abkunft auf König David zurück. Wie sein Vater war er Schatzmeister des Osmanischen Reichs in Bagdad und stand der damals noch starken jüdischen Gemeinde vor. Als aber Daud Pascha, der neue Mameluken-Herrscher, die Juden von Bagdad verfolgen ließ, packten die Sassoons ihre Koffer.
1832 in Indien angekommen, begann Sassoon, Gewürze, Baumwolle und Perlen nach England zu exportieren. Damit stiegen die Sassoons zu den reichsten jüdischen Familien in Indien auf. Sie beschäftigten andere Juden, die aus Bagdad geflüchtet waren. Die indischen Arbeiter waren de facto Sklaven, aber David spendete großzügig für hebräische Schulen, Museen und Krankenhäuser, auch Synagogen, die größte und prächtigste davon die Magen-David-Synagoge nahe Bombay.
Bald sattelte Sassoon auf den lukrativeren Opiumhandel um. Damals forderte China vom britischen Imperium, dass es Tee mit Silber bezahle. England aber flutete das Land mit Opium. Der chinesische Kaiser verbot das Rauschgift, daraufhin begann England den Ersten Opiumkrieg. Den verloren die Chinesen. Nach dem Vertrag von Nanking okkupierte England acht Häfen, darunter Guangzhou, Shanghai und Hongkong. Sassoon schickte seine acht Söhne, die sich um den Im- und Export von Opium kümmerten, in die chinesischen Hafenstädte. Letztlich war es der Drogenhandel, der die Sassoons reich werden ließ.
staatsbürger Obwohl Sassoon nie Englisch lernte, wurde er 1853 britischer Staatsbürger. Sein Sohn Abdullah, der sich Albert nannte, zog nach London, befreundete sich mit dem Prinz of Wales und heiratete Aline Caroline de Rothschild. Ihr Porträt hängt in der Ausstellung, wie das von vielen Sassoon-Frauen. Beider Sohn Philip, ein Freund von Winston Churchill und Mitglied des britischen Parlaments, besaß eine der größten Kunstsammlungen der Welt.
Die Ausstellung ist zu großen Teilen den Frauen der Sassoons gewidmet.
Bekannter aber ist Philips Sohn Siegfried, der sich katholisch taufen ließ und nach dem Ersten Weltkrieg Antikriegs-Gedichte schrieb. Victor Sassoon, ein Enkel von David, wurde einer der größten Immobilienmagnaten Shanghais.
Der Mitbegründer der HSBC-Bank ließ das Cathay Hotel bauen, das heutige Peace Hotel. Wie ein gutes Dutzend anderer Sassoons kämpfte Victor im Ersten Weltkrieg für England. Im Zweiten Weltkrieg half er den aus Deutschland geflüchteten Juden, in Shanghai unterzukommen.
FRAUEN Die Ausstellung ist zu großen Teilen den Frauen der Sassoons gewidmet. Louise Sassoon, die einen von Davids Söhnen geheiratet hatte, war mit König Edward VII. befreundet, sie war die erste Jüdin, die den Orden des British Empire erhielt. Ihre Cousine Rachel Sassoon Beer war die erste Frau, die zwei Zeitungen herausgab, die »Sunday Times« und den »Observer«. Gemeinsam deckten sie die Dreyfus-Affäre auf. Und Hannah Gubbay, eine Enkelin von David Sassoon, kuratierte eine riesige Kunstsammlung, die sie dem Victoria and Albert Museum in London überließ.
Heute leben die Sassoons größtenteils in London; nach dem Ende des Britischen Imperiums und der Machtübernahme der Kommunisten hatten sie Bombay und Kalkutta, Shanghai und zuletzt Hongkong verlassen. Die Familie ist noch wohlhabend, aber nicht mehr superreich; einige der Objekte, die in der Schau zu sehen sind, wurden in den vergangenen Jahrzehnten versteigert. Vor Kurzem kündigte das Auktionshaus Sotheby’s an, dass der »Codex Sassoon«, eine komplette Hebräische Bibel aus dem Jahr 900, die David Sassoon einst gehört hatte, bei einer Auktion im Mai bis zu 50 Millionen Dollar einbringen könnte.
Die Ausstellung läuft bis zum 13. August im Jewish Museum in New York City.