Über Langeweile kann sich Frankreichs Kulturministerin Audrey Azoulay nicht beklagen. Am 21. Mai ist sie 100 Tage im Amt. In den vergangenen Wochen rückte ihr Ministerium immer wieder ins Rampenlicht der Innenpolitik, vor allem aufgrund des Konflikts um die »intermittents du spectacle« genannten Beschäftigtengruppen.
Bei ihnen handelt es sich um Angestellte, Kulturschaffende und Techniker der Kultur-, Unterhaltungs- und Fernsehbranche. Sie haben in Frankreich in aller Regel zwar keine festen Arbeitsverträge, doch während ihrer auftragslosen Zeit oder Probeperioden ein Anrecht auf Unterstützung aus der Arbeitslosenkasse. Dieser Sonderstatus ist alle zwei Jahre gefährdet – dann, wenn Regierung und Sozialpartner über neue Regeln für die Arbeitslosenversicherung verhandeln. Damit einher gehen Theaterbesetzungen und Streiks.
streiks Audrey Azoulays Position kam in diesem Zusammenhang eine quasi strategische Bedeutung zu, denn würde der Konflikt keine zufriedenstellende Lösung finden, dann drohten die Kulturfestivals im Sommer, wie die berühmten Theatertage von Avignon, bestreikt und gestört zu werden, wie es etwa 2003 der Fall war.
Azoulay warf sich ins Zeug und erklärte am 15. April: »Der Staat wird die Intermittents nicht fallen lassen!« Dies bedeutete, dass die Regierung mit einer Finanzierung einspringen würde, falls die Arbeitgeber sich sperren sollten. Durch eine Vereinbarung von Arbeitgebern und Gewerkschaften konnte eine Lösung gefunden werden.
Eine nicht ganz so zentrale, aber wichtige Stellung nahm Azoulay in den vergangenen Wochen bei anderen Konfliktthemen der französischen Innenpolitik ein. Etwa, als es um die Schaffung einer neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt ging, die ebenfalls in ihr Ressort fällt. Geplant ist, einen neuen Fernsehkanal einzurichten, doch die Gewerkschaften fürchten, dass bestehende öffentlich-rechtliche Sender zusammengelegt und Stellen gestrichen werden sollen.
Gefragt war Azoulay in ihren ersten 100 Arbeitstagen auch beim ewigen Konflikt um die Buchpreisbindung, die unter den Druck großer Handelsketten gerät, weil diese in Supermärkten Bücher gern billiger anbieten würden. Zu einem etwas leichteren Thema stellte dagegen die Wochenzeitschrift »Closer« Anfang Mai die Ministerin heraus: Unter dem Titel »So chic!« lobte sie ihren »typischen Pariser Look«.
Herkunft Über all den vielen Streit- und Verhandlungsthemen ist die Herkunft der 43-jährigen Ministerin und Mutter zweier Kinder für die Öffentlichkeit kaum mehr ein Thema. Bei der Kabinettsumbildung am 11. Februar war sie zur Nachfolgerin der ein Jahr jüngeren Fleur Pellerin ernannt worden. Beide Frauen besuchten dieselbe Abschlussklasse der Pariser Verwaltungshochschule ENA, die sie im Jahr 2000 beendeten.
Nach ihrem Diplom wurde Azoulay hohe Beamtin bei einer öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalt. Von 2003 bis 2006 arbeitete sie dann bei einer staatlichen Bank, der Cour des Comptes, was sie laut eigenen Angaben in unangenehmer Erinnerung behält. Ihre Welt war eher die der Kultur. Ab 2006 war sie dann für das nationale Zentrum für Filmförderung CNC tätig, wo sie in leitende Funktionen aufstieg und ab 2011 stellvertretende Direktorin wurde.
Marokko Mit Audrey Azoulay ist eine Französin jüdisch-marokkanischer Herkunft Kulturministerin geworden. Natürlich ist sie nicht das erste jüdische Regierungsmitglied, wesentlich prominenter in früheren Kabinetten waren etwa Laurent Fabius und Dominique Strauss-Kahn.
Auf zwischenstaatlicher Ebene sorgte Azoulays Ernennung für eine Verstimmung mit Algerien, allerdings nicht wegen ihrer jüdischen, sondern ihrer marokkanischen Herkunft. In Algier moniert man, dass Azoulay nun schon die dritte Ministerin mit marokkanischem Hintergrund im französischen Kabinett ist. Das sei zu viel Einfluss für den Nachbarstaat und Rivalen.
Der Vater der neuen Ministerin, André Azoulay (73), ist ein Berater des marokkanischen Königshauses. In den 90er-Jahren beriet er Hassan II. bei Wirtschaftsreformen, auch bei seinem Nachfolger Mohammed VI. behält er einen gewissen Einfluss. André Azoulay engagierte sich stark für die Aufwertung des jüdischen Kulturerbes in Marokko wie auch für das seiner Heimatstadt Essaouira. Seine Tochter Audrey wuchs in Frankreich auf, wo ihre Mutter Katia Brami als Schriftstellerin wirkt.
antisemiten Als Madame Azoulay zur Ministerin ernannt wurde, thematisierten vor allem Antisemiten die jüdische Seite ihrer Herkunft. Doch die Wirkung verpuffte. Die einflussreiche Webseite des rechtsextremen Essayisten Alain Soral, Egalité et Réconciliation, warnte gar davor, dass nunmehr der CRIF, also die Dachorganisation der französischen Juden, die Kulturpolitik führe. Der CRIF selbst jedoch notierte in seinem Pressespiegel ähnlich wie jüdische Medien im Land eher unaufgeregt die Herkunft der Ministerin.
Mit Antisemitismus wurde Azoulay laut eigenen Angaben erstmals auf der Verwaltungshochschule ENA konfrontiert. Ihren Worten in der Sonntagszeitung JDD zufolge sei es eine traditionelle und eher katholisch geprägte Judenfeindlichkeit gewesen. In ihrer eher behüteten Kindheit sei sie damit nicht konfrontiert worden. Doch engagierte sie sich in ihrer Jugend wiederholt gegen die extreme Rechte.