Nach dem Erfolg der Rechtsnationalen bei der ersten Runde der Parlamentswahl in Frankreich haben die Kräfte der politischen Mitte und das Linksbündnis nach Möglichkeiten gesucht, um eine absolute Mehrheit der Partei von Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen in der zweiten, entscheidenden Wahlrunde am kommenden Sonntag abzuwenden. Möglich wird das durch Absprachen mit anderen politischen Kräften, die durch das komplizierte französische Wahlsystem zwischen den beiden Abstimmungsrunden möglich sind.
Das Linksbündnis kündigte am Montag an, ihre Kandidatinnen und Kandidaten aus jenen Wahlkreisen zurückzuziehen, in denen sie in der ersten Runde nur Dritte wurden, damit die Linkswähler dort für andere Gegner des RN stimmen könnten. Das Lager von Präsident Emmanuel Macron kündigte ebenfalls mehrere Rückzüge eigener Kandidaten an.
Wie das Innenministerium in Paris am Montag mitteilte, lag Le Pens RN mit seinen Verbündeten in der ersten Runde mit 33 Prozent der Stimmen vorn. Das Linksbündnis Neue Volksfront erreichte gemäß dem vorläufigen Endergebnis 28 Prozent und das Mitte-Lager von Macron 20 Prozent. Mit diesem Ergebnis im Rücken könnten die Rechtsnationalen bei der zweiten Runde der Wahl möglicherweise sogar eine absolute Mehrheit in der Nationalversammlung holen.
Wegen des Wahlsystems klärt sich die Aufteilung der Sitze erst in dieser zweiten Runde. In der ersten Runde gelang es nur 78 Kandidatinnen und Kandidaten, ihre Sitze direkt zu erobern, indem sie mehr als 50 Prozent der Stimmen in ihren Wahlkreisen holten. Das geht aus einer Analyse der Daten des Innenministeriums durch die Zeitung »Libération« hevor. Von diesen 78 entfielen 38 auf die Rechtsnationalen. Auch Le Pen konnte sich direkt durchsetzen.
Macron und seine Verbündeten sowie Politiker aus dem linken Lager wollen mit Absprachen bis nächsten Sonntag doch noch einen Totalerfolg der Rechtsnationalen verhindern, durch den der erst 28-jährige RN-Parteichef und Le-Pen-Schützling Jordan Bardella zum Premierminister werden könnte.
Die Folge dieser sogenannten Cohabitation, einer Eigenart der französischen Politik mit einem Präsidenten und einem Regierungschef aus unterschiedlichen Lagern, wäre vermutlich ein politisches Chaos, das auch über die Grenzen Frankreichs hinaus Auswirkungen hätte. Macron läge für den Rest seiner Amtszeit bis 2027 im ständigen Clinch mit einer rechten Regierung - deren politische Vorstellungen von den seinen weit abweichen. ap