George Santos hat es geschafft – vorerst. Der 34-Jährige, der auf den vollen Namen George Anthony Devolder Santos hört, ist jetzt, nachdem Kevin McCarthy am vergangenen Freitag mit Müh und Not im 15. Wahlgang zum Sprecher des Repräsentantenhauses gewählt wurde, offiziell vereidigter Abgeordneter im 3. Kongress-Abschnitt von New York und somit der Vertreter für Nord Nassau auf Long Island und des nordöstlichen Queens.
Während der chaotischen Wahltage im Kongress hatte Santos, dem Hochstapelei und Betrug vorgeworfen werden und der bei etlichen Angaben zu seinem Lebenslauf der Lüge überführt wurde, versucht, sich bei den rechtsradikalen Putschisten unter den Republikanern anzubiedern, die McCarthys Wahl fast eine Woche lang blockierten.
Die Bilder im amerikanischen Fernsehen zeigten, wie Santos sich immer wieder zu der Republikaner-Minderheit stellte, zustimmend nickte und versuchte, mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Doch selbst diese Aussätzigen des Kongresses wollten mit Santos nichts zu tun haben – und das hat Gründe.
Denn das jüdische politische Wunderkind, das im demokratischen New York seinen Kongresssitz für die Republikaner gewann, ist weder jüdisch noch kann er auf eine außergewöhnliche Karriere zurückblicken. Nur seine Lügengeschichten, die sind extraordinär. Das beginnt mit seiner Mutter, einer brasilianischen Jüdin, Fatima Devolder, deren Eltern dem Holocaust entkommen seien, wie er auf seiner Wahlkampfseite behauptete.
MUTTER Nachdem deutlich wurde, dass das nicht stimmt, sagte Santos nun der »New York Post«, er sei »eindeutig katholisch«, seine Großmutter habe jedoch erzählt, Jüdin gewesen und später zum Katholizismus konvertiert zu sein. »Ich habe nie behauptet, jüdisch zu sein«, sagte Santos der »Post«. »Aber als ich erfuhr, dass meine mütterliche Verwandtschaft einen jüdischen Hintergrund hatte, habe ich mich halt jüdisch gefühlt.«
In Sachen Mutter gibt es noch weitere pikante Details – und ein Strafverfahren. Santos hatte vorgegeben, seine brasilianische Mama sei die »erste weibliche Führungskraft in einem großen Finanzinstitut« gewesen – sie war aber Putzfrau und Verkäuferin, die kein Englisch sprach. Laut Santos war sie ein Opfer des Angriffs auf das World Trade Center, »überlebte die tragischen Ereignisse des 11. September in einem Büro des Südturms im World Trade Center und starb ein paar Jahre später an Krebs«. In Wahrheit starb die Mutter 2016.
Santos dichtete ihrer Familie mal einen ukrainischen Hintergrund an, mal berichtete er, er sein »zweirassisch«, also schwarz und weiß zugleich.
Scheckbetrug Wahr hingegen ist, wie die »New York Times« berichtet, dass George Santos 2008 zusammen mit seiner Mutter fortgesetzten Scheckbetrug begangen hat. Er gab 2010 gegenüber der brasilianischen Polizei zu, einem Mann, für den seine Mutter einmal gearbeitet habe, das Scheckbuch entwendet und mehrere Einkäufe mit den Schecks und gefälschter Unterschrift getätigt zu haben. Die brasilianischen Behörden, die die Ermittlungen wegen »unbekannten Aufenthalts« von Santos zwischenzeitlich hatten ruhen lassen, wollen nun das Verfahren wieder aufnehmen.
Es dürfte nicht der einzige juristische Ärger sein, der Santos droht. Denn der gesamte Lebenslauf ist geschönt und erfunden. Weder besuchte er eine Edel-Privatschule noch brachte er es bei Goldman Sachs oder der Citigroup an der Wallstreet zu Ruhm und Reichtum. Auch als Topjournalist in Brasilien hat er nach Recherchen der »Times« und anderer US-Medien nie gearbeitet. Von den Reichtümern, die er an der Wallstreet gescheffelt haben wollte, war nichts zu sehen – im Gegenteil. Laut seinem Ex-Freund Pedro Vilarva – Santos ist schwul, wenigstens das stimmt – sei Santos »nie wirklich zur Arbeit gegangen«. Vielmehr habe Santos Vilarvas Handy gestohlen und dann verpfändet.
Ungemach droht Santos nicht nur wegen der Ermittlungen in Brasilien, die jetzt von dem Abgeordneten eine Stellungnahme einfordern und den Fall den US-Justizbehörden zugänglich machen wollen. Das Strafmaß in den USA beträgt bis zu fünf Jahren Haft. Auch im Parlament droht Ärger. Mehrere Abgeordnete wollen Santos’ Fall vor das Ethik-Komitee bringen. Das Wunderkind ist in Wahrheit ein Lügenbaron.