USA

Loyal und radikal

Der künftige Präsident Donald Trump vergibt wichtige Ministerposten an Personen, die bislang nicht durch Kompetenz aufgefallen sind, sondern eher durch Kontroversen von sich reden machten

von Michael Thaidigsmann  21.11.2024 09:36 Uhr

Beim Fast-Food-Essen: Donald Trump mit Elon Musk (l.), seinem Sohn Donald Trump junior und Robert Kennedy junior (r.) in seinem Privat-Jet

Der künftige Präsident Donald Trump vergibt wichtige Ministerposten an Personen, die bislang nicht durch Kompetenz aufgefallen sind, sondern eher durch Kontroversen von sich reden machten

von Michael Thaidigsmann  21.11.2024 09:36 Uhr

Nein, Lauren Boebert, bekannt für Streicheleinheiten, die sie ihrem Liebhaber während der Vorführung eines Musicals für Kinder zukommen ließ, wird nicht die nächste Bildungsministerin der Vereinigten Staaten. Die Nachricht, Donald Trump habe die Waffennärrin vom rechten Rand für ein Ministeramt nominiert, stellte sich als Witz eines Social-Media-Users heraus.

Symptomatisch war aber, dass man sie für glaubwürdig halten durfte. Denn Trumps Kabinettsbildung – fast täglich fällt ein neuer Name – verursacht nicht nur bei der Opposition im Kongress Stirnrunzeln. »Lernen Sie Donald Trumps beängstigendes neues Kabinett kennen«, betitelte Bess Levin von »Vanity Fair« ihren Kommentar zu den bislang Nominierten. Sie dürfte damit vielen in Washington aus der Seele sprechen. Auch bei den Republikanern regt sich vorsichtige Kritik an Trumps Team, was durchaus von Belang sein könnte. Denn anders als in Deutschland muss in den USA der Senat, in dem Trumps Partei künftig die Mehrheit hat, alle wichtigen Personalentscheidungen des Präsidenten bestätigen.

Marco Rubios Ernennung zum künftigen Außenminister

Auf wenig Widerstand dürfte dort Marco Rubios Ernennung zum künftigen Außenminister stoßen. Der in Miami geborene Sohn kubanischer Flüchtlinge ist einer der bekanntesten Latinos in der US-Politik. Rubio ist sehr konservativ und gilt als außenpolitischer »Falke«. Seit 2011 vertritt der 53-Jährige den Bundesstaat Florida im Senat. Mit ihm als Secretary of State dürfte die Gangart der USA gegen das Mullah-Regime im Iran härter ausfallen als bisher. Im Gaza-Konflikt hat Rubio sich klar an die Seite Israels gestellt.

Gegen den designierten Justizminister gibt es mehrere Vorwürfe wegen sexuellen Fehlverhaltens.

Als er vor einigen Monaten von einer Gruppe BDS-Aktivisten gefragt wurde, ob er für einen Waffenstillstand in Gaza sei, antwortete er mit einem klaren »Nein«. Und wurde noch deutlicher: »Ich will, dass Israel jedes Mitglied der Hamas vernichtet, das sie in die Hände kriegen können.« Die Hamas-Leute seien »Bestien«, die fürchterliche Verbrechen begangen hätten, so Rubio weiter.

Sein neuer Außenminister werde ein »furchtloser Krieger« sein und einer, der »niemals vor unseren Gegnern zurückweichen wird«, glaubt auch Trump. Ob das auch in Bezug auf Russland gilt, ist aber fraglich: Marco Rubio stimmte als einer von 15 Senatoren gegen die von Präsident Joe Biden beantragte Aufstockung der Militärhilfe für die Ukraine.

Mike Huckabee gilt als enger Verbündeter der israelischen Rechten

Neuer US-Botschafter in Israel soll der ehemalige Gouverneur von Arkansas, Mike Huckabee, werden. Der evangelikale Politiker gilt als enger Verbündeter der israelischen Rechten. Das Recht der Palästinenser auf einen eigenen Staat lehnt er ab. 2016 sagte er: »So etwas wie einen Palästinenser gibt es eigentlich gar nicht.«

Stirnrunzeln löste auch der Name des designierten Verteidigungsministers Pete Hegseth aus. Er hat zwar eine Karriere beim Militär hinter sich, war im Irak, in Afghanistan und zuvor im US-Militärstützpunkt Guantánamo Bay im Einsatz. Doch Regierungserfahrung im Pentagon hat der 44-Jährige keine. Dafür tritt er seit 2014 als Experte beim rechten Sender »Fox News« auf. Es ist Trumps Lieblingssender.

Für Kritik an seiner Person sorgte Hegseth auch, weil er ein Tattoo mit dem Templerkreuz trägt, dem Abzeichen der Kreuzritter. Jetzt kamen noch Vorwürfe hinzu, er habe 2017 einer Frau Schweigegeld bezahlt, damit diese öffentlich nicht den Vorwurf der sexuellen Belästigung gegen ihn erhebe. Hegseths Anwalt betont hingegen, die »sexuelle Begegnung« mit der Frau sei im gegenseitigen Einvernehmen geschehen.

Gegen Trumps designierten Justizminister Matt Gaetz stehen gleich mehrere Vorwürfe sexuellen Fehlverhaltens im Raum. So soll er mit einer 17-jährigen Schülerin geschlafen und diese im Gegenzug dafür bezahlt haben. Andere Frauen haben ähnliche Anschuldigungen gegen ihn erhoben.

Drogenmissbrauch und andere Delikte

Zudem wurde Gaetz mit Drogenmissbrauch und anderen Delikten in Verbindung gebracht. Seit Langem gilt der Jurist als schwarzes Schaf der Republikaner. 2023 betrieb Gaetz erfolgreich den Sturz seines Parteifreundes Kevin McCarthy als Vorsitzenden des Repräsentantenhauses. 2021 flog er vorübergehend aus der Rechtsanwaltskammer Floridas, weil er seine Mitgliedsgebühren nicht entrichtet hatte.

Jüngst prüfte der Ethikausschuss des Repräsentantenhauses die Vorwürfe gegen ihn und verfasste einen Bericht. Und auch das Justizministerium, das er künftig führen soll, hat schon gegen Gaetz ermittelt. Der demokratische Abgeordnete Adam Schiff fragte spitz: »Wollen wir wirklich einen Justizminister, der keinerlei Erfahrung mit dem Justizministerium hat, außer, dass dort gegen ihn ermittelt wurde?«

Jonathan Greenblatt, Chef der Anti-Defamation League (ADL), brachte noch ein weiteres Argument gegen die Berufung des 42-Jährigen vor. Gaetz habe antisemitische Tropen in Umlauf gebracht, darunter die sogenannte »Great Replacement Theory«. Dieser zufolge würden Juden danach trachten, weiße Einwohner Amerikas durch nichtweiße zu ersetzen. »Er sollte nicht in ein hohes Amt berufen werden, geschweige denn in eines, das die unparteiische Ausführung der Gesetze unserer Nation überwacht«, so Greenblatt. Auch das American Jewish Committee (AJC) forderte Trump auf, »diese Nominierung zu überdenken«. Falls das nicht geschehe, stehe der Senat in der »Verantwortung, sie abzulehnen«.

Beim Regieren nicht in die Quere kommen

Vergangene Woche legte Gaetz sein Mandat als Abgeordneter nieder – wohl auch, um die Veröffentlichung des Berichts des Ethikausschusses noch zu verhindern. Für Schiff ist klar, worum es Trump mit seinen Ernennungen geht. Der künftige Präsident sende eine Warnung an den Kongress, ihm beim Regieren bloß nicht in die Quere zu kommen. »Wenn sie Matt Gaetz bestätigen, werden sie so ziemlich alles tun, was er von ihnen verlangt«, so Schiff gegenüber CNN.

Ein weiterer Ministerkandidat ist umstritten: Robert Fitzgerald Kennedy junior.

Ein weiterer Ministerkandidat ist umstritten: Robert Fitzgerald Kennedy junior, der wie sein berühmter Onkel, Ex-Präsident John Fitzgerald Kennedy (JFK), meist unter seinem Kürzel RFK firmiert. Dem langjährigen Demokraten vertraute Trump nun das Amt des Gesundheitsministers an und das, obwohl Kennedy keinerlei fachliche oder sonstige Kompetenzen auf diesem Feld besitzt – es sei denn, man sieht es als Expertise an, dass der heute 70-Jährige seit vielen Jahren eingefleischter Impfgegner ist und sich als Gegner der Corona-Maßnahmen profilierte. »Du darfst dem medizinischen Rat, den dir Ärzte geben, nicht einfach vertrauen«, war eine seiner Empfehlungen.

Abstruse Verschwörungstheorien

Selbst abstrusen Verschwörungstheorien ist RFK zugeneigt: Im vergangenen Jahr wurde er dabei gefilmt, wir er bei einem Abendessen zum Besten gab, es gebe da »eine Argumentation«, wonach das Coronavirus als Biowaffe in Laboren gezüchtet worden sei, um gezielt »Kaukasier und schwarze Menschen« zu befallen, nicht aber Chinesen, Finnen und aschkenasische Juden. Kennedys Familie hat sich von ihm längst distanziert.

Eines hat er mit vielen seiner künftigen Kabinettskollegen gemeinsam: Sein Chef dachte schon einmal deutlich schlechter über ihn. »Der Dümmste unter den Kennedys« sei RFK, hatte Trump gesagt. Rubio wiederum nannte den Präsidenten einst einen »Trickbetrüger« und spekulierte in einem anzüglichen Witz nicht nur über die Größe von Trumps Händen, sondern auch die anderer Extremitäten. Unten sei bei ihm alles in Ordnung, keilte Trump angefasst zurück.

Diese Querelen sind nun Schnee von gestern. Zumindest bis zum nächsten Wintereinbruch.

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