Ein Virus wie Corona macht auch vor Inseln nicht halt. Die jüdische Gemeinde auf Kuba hat früh darauf reagiert. »Als die ersten Fälle bei uns im Land auftraten, haben wir entschieden, alle Gemeindeaktivitäten einzustellen: Gottesdienste, Programme, Projekte, Kurse − alles. Es geht vor allem darum, unsere älteren Mitglieder zu schützen«, sagt David Prinstein, Vizepräsident der Comunidad Hebrea de Cuba.
Trotz der relativ geringen Größe mit rund 1200 Mitgliedern, davon die meisten in Havanna, sei die Gemeinde sehr aktiv und dynamisch, so der 54-Jährige. »Doch die Pandemie beeinträchtigt unser gewohntes Leben. Alles ist komplett eingeschränkt.«
Schabbat müsse man nun daheim verbringen. Man halte miteinander Kontakt, so gut es gehe, über E-Mail, Messenger-Dienste und vor allem über die Facebook-Seite der Gemeinde.
VIRUS Bisher ist die Ausbreitung des Virus in Kuba weitestgehend unter Kontrolle. Die Regierung hat früh gehandelt. Das öffentliche Leben wurde seit den ersten bekannten Fällen Mitte März weitgehend heruntergefahren, der öffentliche Nahverkehr landesweit eingestellt; selbst private Taxis dürfen derzeit nicht fahren. Zudem sperrte Kuba Anfang April seinen Luftraum.
Es besteht keine obligatorische Ausgangssperre, die Menschen aber sind angehalten, zu Hause zu bleiben und Abstand zu halten. »Soziale Distanzierung« ist das Gebot der Stunde.
Als Hauptproblem der Ausbreitung gelten weiterhin die langen Schlangen vor den Geschäften. Die Regierung in Havanna hat darauf zuletzt mit neuen Maßnahmen reagiert: Größere Einkaufszentren wurden geschlossen, Einzelhandelsgeschäfte verkaufen lediglich Lebensmittel und Hygieneprodukte, Restaurants dürfen nur noch Essen zum Mitnehmen anbieten oder nach Hause liefern.
Im Gemeindehaus gibt es eine Apotheke, die alle Juden im Land versorgt.
Fidel Babani, der Direktor der einzigen auf jüdische Themen spezialisierten Bibliothek Kubas, lobt das Vorgehen der Regierung. »Anscheinend ist alles gut unter Kontrolle. Infizierte Personen werden behandelt, verdächtige Fälle untersucht, und jeden Tag gibt es eine Pressekonferenz mit dem Chef des Nationalen Epidemiezentrums.« Man ermahne zu sozialer Distanz und Hygienemaßnahmen. »Das alles hilft, eine massive Ausbreitung einzudämmen. Ich denke, die Maßnahmen zeigen Ergebnisse.«
Zuletzt stieg die Zahl der Covid-19-Erkrankten nur noch sehr langsam. Verglichen mit Deutschland sind die Fallzahlen auf Kuba gering. Bis Anfang der Woche wurden auf der Insel insgesamt 1668 Personen positiv auf das Coronavirus getestet, 69 starben bisher an den Folgen, und 876 gelten als genesen. Den Höhepunkt der Infektionen erwartet die Regierung dieser Tage.
»Die Frage der Versorgung mit Lebensmitteln lösen wir wie alle Kubaner«, sagt Fidel Babani. »Wir hängen wie alle davon ab, was es in den Läden gibt, stehen in denselben Schlangen. Doch glücklicherweise hilft die Gemeinde vor allem älteren Leuten.«
Die Gemeinde habe nach den bestehenden Möglichkeiten Lebensmittel eingekauft, erklärt Prinstein. Man beliefere ältere Mitglieder, »damit sie zu Hause bleiben können und nicht auf die Straße gehen müssen und sich einer Ansteckung aussetzen«.
SPENDEN Für die Wirtschaft ist die Corona-Krise fatal. »Der Tourismus, einer der ganz wenigen Wachstumsbereiche der kubanischen Wirtschaft, wird in diesem Jahr komplett zusammenbrechen«, prognostiziert der Kuba-Experte Bert Hoffmann vom German Institute of Global and Area Studies (GIGA). »Dies wird das Land, das ohnehin in einer tiefen Wirtschaftskrise steckt, sehr, sehr hart treffen.«
Den Einbruch des Tourismus bekommt ganz unmittelbar auch die jüdische Gemeinde zu spüren, denn die Besuchergruppen bleiben weg.
Den Einbruch des Tourismus bekommt ganz unmittelbar auch die jüdische Gemeinde zu spüren, denn die Besuchergruppen bleiben weg.
»Wir haben eine Gemeindeapotheke, die kostenlos Medikamente an alle Juden des Landes abgibt«, erklärt Babani. »Praktisch alle Medikamente der Apotheke sind Spenden von Besuchergruppen aus den USA, Kanada, Israel, Mexiko und Europa. Dadurch, dass diese Gruppen nicht kommen können, bleiben die Medikamente aus.« Die Apotheke befindet sich im Patronato, dem Hauptsitz der jüdischen Gemeinde Kubas. In dem 1953 fertiggestellten Bau im Stadtteil Vedado ist auch die aschkenasische Synagoge Beth Shalom beheimatet.
An zwei, drei Tagen pro Woche ist die Apotheke geöffnet, zwei Ärzte aus der Gemeinde leiten sie. Auch etliche, die nicht zur Gemeinde gehörten, würden auf diese Weise gegen Rezept kostenlos mit Medikamenten versorgt, sagt Babani
JOINT »Wir leben praktisch von Spenden«, sagt David Prinstein. Durch das Ausbleiben des Tourismus ist wenig Geld da, um die verschiedenen Programme zu finanzieren.«
Ein Großteil der Gelder komme vom American Jewish Joint Distribution Committee (JDC). »Darüber hinaus sind vor allem jene Gemeindemitglieder direkt vom Einbruch des Tourismus betroffen, die als Taxifahrer arbeiten oder Ferienwohnungen vermieten.« Alle anderen trifft der Rückgang des Tourismus zumindest indirekt, da dem Land wichtige Einnahmen wegbrechen.
Prinstein gibt sich dennoch zuversichtlich – auch angesichts der Tatsache, dass sich bisher kein Gemeindemitglied mit dem Coronavirus infiziert habe. »Das Leben hat sich sehr verändert, aber wir haben den Glauben und die Hoffnung nicht verloren.« Er ist sich sicher: Man werde aus der Pandemie gestärkt hervorgehen, »da wir andere Formen der Interaktion entdecken«. Das Wichtigste aber sei derzeit, »das Leben und die Unversehrtheit jedes einzelnen Gemeindemitglieds zu schützen«.