Der litauische Außenminister Linas Linkevicius hat am Donnerstagvormittag das Grab des sogenannten Wilnaer Gaons besucht. Der berühmte Rabbiner, Elija ben Schlomo Zalman (1720–1797), wurde vor genau 300 Jahren geboren.
Minister Linkevicius twitterte: »Ich würdige heute an seinem Grab in Vilnius den Wilnaer Gaon, ein ewiges Symbol der jüdischen Kultur und Geschichte Litauens. Das Ausmaß seines Beitrags zum spirituellen jüdischen Leben ist immens wichtig.«
Reuven rivlin Aus Anlass des 300. Geburtstages telefonierte Israels Staatspräsident Reuven Rivlin am Donnerstag mit seinem litauischen Amtskollegen Gitanas Nauseda. Auch wenn es anders geplant gewesen sei, habe das historische Ereignis so wenigstens telefonisch gemeinsam begangen werden können, teilte sein Sprecher mit.
Rivlin habe beim Telefonat betont: »Dies ist ein besonderes Jahr für die israelisch-litauischen Beziehungen und die Familie Rivlin.« Reuven Rivlin, dessen Familie ihren Stammbaum über viele Generationen zurückverfolgen kann, ist ein Nachkomme des Gaons von Wilna.
Auch Israels Außenminister Israel Katz dankte seinem Kollegen Linkevicius per Tweet für dessen Besuch am Grab des Gaons: »Sein Erbe und die reiche Geschichte der jüdischen Gemeinde Litauens leben weiter. Vielen Dank an FM @LinkeviciusL für diese bedeutungsvolle Würdigung heute Morgen.«
Gelehrter Bereits zu Lebzeiten war der Wilnaer Gaon als vielseitiger Gelehrter sehr geschätzt, obwohl seine von seinen Schülern zusammengestellten und herausgegebenen Kommentare erst nach seinem Tod veröffentlicht wurden. Heute gilt er als Inbegriff des aschkenasischen Judentums litauischer Prägung. Seine Tora- und Talmud-Kommentare sind Standardwerke jüdischer Gelehrsamkeit.
Geboren wurde der Gaon von Wilna in der Nähe von Brest im heutigen Weißrussland. Der Legende nach hielt er bereits als Sechsjähriger eine Predigt in der Großen Synagoge von Wilna und zeigte dabei, wie tiefgründig er die rabbinische Literatur verstand.
»Er suchte keinen Ruhm, übernahm keinen Posten in der Gemeinde, leitete keine religiöse Institution − obwohl jede Stadt in Europa stolz darauf gewesen wäre, eine von ihm gegründete Jeschiwa zu haben«, sagte Lara Lempertiene, die Leiterin der Judaica-Abteilung der Litauischen Nationalbibliothek, dem Fernsehsender LRT. »Aber das hätte ihn von seinem Studium abgelenkt.«
Der Lebensstil des Gaons soll sehr asketisch gewesen sein. Er habe kalt gebadet, um voller Energie zu bleiben, hielt seine Füße während der Arbeit in eisiges Wasser und schlief nur wenige Stunden. »So konnte er mehr Zeit für sein Studium aufwenden«, sagt Lempertiene.
Friedhof Ursprünglich wurde er auf dem Friedhof im Wilnaer Stadtteil Šnipiškes beigesetzt. Als dieser jedoch Anfang des 20. Jahrhunderts zerstört werden sollte, brachte man die Gebeine des Gaons und seiner Familie auf den Friedhof in der Suderves-Straße im Stadtteil Saltoniškes.
Dass er ein weiteres Mal umgebettet wird, will man in Vilnius auf keinen Fall. Doch immer wieder gibt es Anfragen. So bat Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu seinen litauischen Kollegen, Premier Saulius Skvernelis, vor einem Jahr bei dessen Besuch in Jerusalem um die Gebeine des Gaons. Doch Litauen lehnte ab. Der Gaon sei »ein untrennbarer Teil der jüdischen Gemeinde Litauens und der litauischen Geschichte«, hieß es zur Begründung.
Auch für die Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Litauens, Faina Kukliansky, die Premier Skvernelis bei seinem Besuch nach Jerusalem begleitet hatte, war klar: Die Gebeine werden Vilnius nicht verlassen. »Kommt nicht infrage!«