»Facing Our Jewish Future Together« – dies war das Motto der viertägigen Konferenz »Connections 2021« der World Union for Progressive Judaism (WUPJ) vergangene Woche. Wegen der Corona-Pandemie musste die Veranstaltung der Organisation, zu der weltweit rund 1,5 Millionen liberale und progressive Juden gehören, in diesem Jahr ausschließlich in digitaler Form stattfinden.
Auf dem Programm der Veranstaltung mit Teilnehmern aus mehr als 50 Ländern standen neben Workshops und Diskussionsrunden auch virtuelle Gottesdienste der verschiedenen Rabbinerseminare sowie Panels zum gemeinsamen Austausch.
debatten Inhaltlich standen im Zentrum der Debatten der ersten WUPJ-Konferenz seit mehr als vier Jahren drängende Zukunftsfragen wie die Überwindung der Corona-Pandemie, die Gleichberechtigung der Geschlechter, das Verhältnis zum Staat Israel, die Balance zwischen Tradition und Moderne, der Klimawandel, der Kampf gegen den Antisemitismus sowie das Verhältnis der Liberalen zu anderen Strömungen des Judentums sowie zu christlichen und muslimischen Gemeinschaften.
Am Anfang der Konferenz wurde der neue WUPJ-Präsident vorgestellt: Sergio Bergman, der erste und bisher einzige Reformrabbiner Argentiniens.
In seiner zentralen Ansprache erläuterte Bergman seine Vision für die Organisation in den kommenden Jahren. »Meine Berufung zum neuen WUPJ-Präsidenten ist nur ein Beispiel für die Veränderungen, die vor uns stehen«, sagte der 59-Jährige, der aus Jerusalem zugeschaltet war. Bergman sagte, dass jeder Präsident vor ihm, einschließlich des großen deutschen Rabbiners Leo Baeck, aus den jüdischen Zentren in Europa, Israel oder den USA gestammt habe. »Ich komme buchstäblich vom Ende der Welt, aus Buenos Aires, Argentinien – einem Ort, der nur selten auf dem jüdischen Radar war.«
präsident Bergman, der als Kind von Schoa-Überlebenden in der argentinischen Hauptstadt geboren wurde, sagte, er empfinde großen Dank dafür, neuer Präsident der WUPJ zu sein und dass seine spezifischen Erfahrungen als argentinischer Reformrabbiner und ehemaliger Umweltminister seines Landes ihm bei dieser Aufgabe helfen werden.
»Die Covid-19-Krise hat das Paradigma geändert. Wir müssen jetzt unser progressives Judentum in dieser postpandemischen Welt neu starten und wieder aufbauen«, forderte Bergman. Reform bedeute aus seiner Sicht, sich selbst im Sinne eines Prozesses neu zu formen. »Das Judentum ist kein Dogma, und wir haben keine Angst, uns unserer eigenen Reform zu stellen.«
Einer der Höhepunkte der Konferenz war ein Gastbeitrag des israelischen Politikers Yair Lapid.
Zu den wichtigen Aufgaben seiner Präsidentschaft zählt Bergman die Schaffung von mehr Bildungsangeboten für Jugendliche, die Ausweitung von Hilfsprojekten in ärmeren Staaten im Sinne von Tikkun Olam, der Heilung der Welt, sowie die Vertiefung der Beziehungen der liberal-progressiven Gemeinschaft in der Diaspora zu Israel und seinen Menschen. »Wir stehen zusammen mit dem Staat Israel«, sagte Bergman auch mit Blick auf den Konflikt im Nahen Osten und die antisemitischen Ausschreitungen in deutschen und europäischen Städten. Die Unterstützung Israels sei schon immer eines der zentralen Anliegen der internationalen WUPJ-Community, betonte Bergman.
Gast Einer der Höhepunkte der Konferenz war ein Gastbeitrag des israelischen Politikers Yair Lapid. Der Vorsitzende der liberalen Zentrumspartei Jesch Atid war den Teilnehmern für eine Ansprache aus seinem Knesset-Abgeordnetenbüro in Jerusalem zugeschaltet.
»Ich weiß, ich bin ein Gast bei dieser Konferenz, aber ich fühle mich wie zu Hause, weil das Judentum mein Zuhause ist«, sagte Lapid. Die WUPJ habe seit Beginn ihres Bestehens immer deutlich gemacht, dass es nicht nur die eine Version des Judentums gebe, und stelle aktuell die Frage, was es bedeute, im 21. Jahrhundert jüdisch zu sein. »Das Judentum ist eine gelebte Diskussion, die wir seit Jahrhunderten führen«, sagte Lapid, der in Israel als Konkurrent von Premier Benjamin Netanjahu gilt und – falls die Koalitionsgespräche erfolgreich sein sollten – der nächste Premierminister des Landes werden könnte.
Der 57-Jährige betonte, dass er sich dem liberalen Judentum verbunden fühlt. »Der Glaube ist nicht die Angst, Fragen zu stellen, sondern die Freiheit, diese Fragen stellen zu können«, sagte Lapid. Die Rolle der Liberalen sei es, im politischen Bereich den Dialog zu führen, um ihn zu einer »Arena der Offenheit und des Kompromisses« zu machen und dadurch dem Extremismus keine Chance zu geben.
israel »Deshalb ist mein Kampf«, sagte Lapid, »eurer Stimme in Israel Gehör zu verschaffen, auch gleichzeitig ein Kampf um den Charakter des Staates.« Denn wenn die Stimme der Liberalen im öffentlichen Diskurs Israels nicht zu hören sei, so argumentierte der Politiker, sei das Land nicht das, was es sein sollte. »Ich verteidige eure Stimme und eure Rechte, weil sie Teil meiner Weltanschauung sind«, sagte Lapid.
Eine deutsche Perspektive auf die wichtigen Fragen der Zeit gab der Rektor des Potsdamer Abraham Geiger Kollegs und Vorsitzende der Union progressiver Juden in Deutschland, Rabbiner Walter Homolka, der auch im Vorstand der WUPJ sitzt. »Eine besondere Herausforderung scheint nach wie vor die Pluralisierung zu sein, in Religion wie in Gesellschaft«, sagte er. Liberale Juden wollten ein tatkräftiger Teil des Aufbruchs sein.