Die Millionenmetropole Johannesburg: Straßenlärm, Abgase und Geschäftsleute, die von einem Termin zum nächsten hetzen. Mitten im Gewimmel steht ein Rabbiner neben einer bunten Stahlkonstruktion. »Be kind!«, fordert die Kunstinstallation auf: »Sei nett!«. »Wir wollen nichts verkaufen«, klärt der Rabbi auf. »Wir machen Werbung für Freundlichkeit.«
Rabbi David Masinter hat erkannt, dass seine Heimatstadt ein gewaltiges Imageproblem hat: Johannesburg gilt als Südafrikas hektischer Wirtschaftsmotor und ist obendrein berüchtigt für Gewalt und Verbrechen. Das Stadtzentrum wurde nach der demokratischen Öffnung 1994 wegen der hohen Kriminalität für viele eine No-go-Area, die man meidet, wenn einem Leben und Portemonnaie lieb sind.
Botschaften Viele der knapp fünf Millionen Einwohner ließ der Großstadtalltag abstumpfen. Dagegen will Masinter unter anderem mit seinen bunten Botschaften vorgehen. »Ich habe Menschen satt, die Johannesburg als Verbrecherstadt behandeln, in der es nichts zu feiern gäbe«, sagte der 59-jährige Chabad-Rabbiner einer Lokalzeitung. »Ich will sie motivieren, anders zu denken, und noch viel wichtiger: nett zu sein.«
Insgesamt 18 der bunten Stahlkonstruktionen plant der Rabbiner in der Stadt aufzustellen.
Insgesamt 18 der bunten Stahlkonstruktionen plant der Rabbiner in der Stadt aufzustellen. Noch sucht er nach passenden Orten. Die Botschaften hingegen kennt er schon: »›Lächle öfter!‹, ›Verzeih auch mal!‹, ›Ruf deine Mutter an!‹, ›Bring den Wandel!‹ – und das wiederholen wir dann.«
Die Kampagne für mehr Freundlichkeit folgt einer ähnlichen Aktion im vergangenen Jahr. Damals ließ Masinter Plakate anbringen, die Johannesburgs Bevölkerung aufforderten: »Beschwer dich weniger!« oder »Mach‹ jemandem einen Kaffee!«.
verfolgung Masinter ist der Sohn litauischer Juden. Etwa 7000 deutsche Juden flohen zwischen 1933 und 1939 nach Südafrika. Dort wurden sie von der jüdischen Gemeinde willkommen geheißen, die bereits 50 Jahre zuvor der Verfolgung aus Lettland und Litauen entkommen war. Heute leben etwa 100.000 Juden in Südafrika.
Was steckt hinter Masinters Mission, die Großstadt menschlicher zu machen? Es sei der Lubawitscher Rebbe gewesen, der ihn inspirierte. »Er sagte, dass Juden und Nichtjuden auf die Erde geschickt wurden, damit wir unsere Umwelt verbessern. Der Rebbe war überzeugt, dass es in der Welt mehr Taten der Güte und Freundlichkeit braucht.« Mehr Güte. Das ist keine leichte Aufgabe in Südafrika. Denn die Republik am unteren Zipfel des Kontinents gilt als Staat mit der ungerechtesten Einkommensverteilung der Welt.
Was steckt hinter Masinters Mission, die Großstadt menschlicher zu machen? Es sei der Lubawitscher Rebbe gewesen, der ihn inspirierte.
Armut Mehr als die Hälfte der Bewohner gilt als arm, etwa jeder Vierte hat keinen Job. An kaum einem anderen Ort leben Arm und Reich so nah beieinander wie in der Kap-Nation. Wo Townships neben grünen Vororten liegen und Obdachlose vor den Villen der Superreichen campieren, ist das Zusammenleben nicht immer einfach. Das erkannte Masinter, als er die Kampagne »Acts of Random Kindness« (»Akte zufälliger Freundlichkeit«) startete.
Der Titel ist kein Zufall, bedeutet sein Akronym ARK doch »Arche«. Die Idee dahinter sind kleine, bunte Plastikschiffe. Chabad verteilt diese an Unternehmen und Privatpersonen. In die Öffnung am Dach der Mini-Arche sollen Menschen ihr Wechselgeld werfen, um es dann auf der Straße jemandem weniger Privilegierten zu schenken. »Ich wollte die Leute dazu bringen, vermehrt Gutes und Nettes zu tun. Also habe ich mir vorgenommen, eine Million dieser Archen zu verteilen«, so Masinter. 700.000 bunte Boote haben bereits den Besitzer gewechselt.
Jetzt will der Rabbi digital werden, um mit seiner Idee noch mehr Menschen zu erreichen: Eine eigene App soll es künftig ermöglichen, sich Ziele für gute Taten zu setzen, Tagebuch darüber zu führen und das Ergebnis dann in den sozialen Medien zu teilen.