Belarus

»Krieg gegen das eigene Volk«

Michael Rubin über die Wahlen, eine Diktatur mitten in Europa und notwendige Solidarität

von Eugen El  13.08.2020 09:16 Uhr

Michael Rubin Foto: privat

Michael Rubin über die Wahlen, eine Diktatur mitten in Europa und notwendige Solidarität

von Eugen El  13.08.2020 09:16 Uhr

Herr Rubin, Sie stammen aus der belarussischen Stadt Witebsk. Sie haben die Präsidentschaftswahl in Belarus verfolgt und an einer Solidaritätskundgebung in Frankfurt teilgenommen. Warum?
Ich sehe mein Engagement als passiven Beitrag zum Aufbau einer demokratischen Gesellschaft in Belarus. In den vergangenen Wochen haben wir ihre Geburtsstunde erlebt. Daher stand die Solidarität im Fokus.

Die Nachwahlbefragung (»Exit Polls«) vor diplomatischen Vertretungen Weißrusslands weltweit haben die genau entgegengesetzten Ergebnisse erbracht als die offiziellen. Wie beurteilen Sie das?
Die weltweiten Exit Polls ergeben 88,77 Prozent für Swetlana Tichanowskaja und 3,9 Prozent für Alexander Lukaschenko. Die Ergebnisse stimmen auch mit den meisten offiziellen Protokollen der Abstimmungen in den Konsulaten und Botschaften, wie in München und Berlin, überein. Das trifft auch für die Botschaft in Tel Aviv zu. Wir sehen eindeutig eine gefälschte Wahl. Schon der gesamte Wahlprozess wurde verfälscht. Aussichtsreiche Kandidaten wurden verhaftet oder konnten nicht nominiert werden. Unabhängige Wahlbeobachter wurden nicht
zugelassen.

Was bedeutet das harte Durchgreifen der Sicherheitskräfte gegen Protestaktionen am Wahlabend und den Tagen danach für die weißrussische Zivilgesellschaft?
Faktisch hat Lukaschenko einen offenen Krieg gegen das eigene Volk begonnen. Das ist sehr traurig. Ich wäre gern stolz auf meine Heimat als Geburtsort großer Künstler wie Marc Chagall, bin aber gezwungen, mich für die Regierung und die in der Mitte Europas herrschende Diktatur zu schämen.

Wie sollten Ihrer Meinung nach Deutschland und die Europäische Union auf die Wahl reagieren?
Belarus braucht jetzt nicht nur Solidaritätsbekundungen, sondern konkrete politische Handlungen seitens der EU. Es ist genau die richtige Zeit für weitgehende persönliche Sanktionen gegen alle, die diese Wahl manipuliert haben, sowie gegen alle, die jetzt an Repressionen gegen das eigene Volk mitwirken. Die Welt muss für Verbrecher dieser Art eng und unangenehm werden. Wirtschaftliche Sanktionen gegen das ganze Land lehne ich ab, die würden nur die Bevölkerung und nicht die Machthaber treffen.

Werden Sie sich weiter für Belarus engagieren?
Wir in Belarus geborenen Juden haben den Willen zum Widerstand und den Unwillen, als Sklaven zu leben, im Blut. Daher fühle ich mich verpflichtet, den demokratischen Prozess zu unterstützen. Wir können aber leider nicht mehr von einer friedlichen Revolution sprechen. Ich hoffe, dass der unvermeidliche Machtwechsel möglichst ohne weiteres Blutvergießen und weitere Todesopfer abläuft.

Mit dem Frankfurter Unternehmensberater und FDP-Kommunalpolitiker sprach Eugen El.

Reaktion

Frankreichs Rechtsextremer Zemmour gratuliert AfD

Die AfD verdoppelt ihr Wahlergebnis nach Hochrechnungen nahezu. Aus Frankreich wird gratuliert – von einem, um den es innerhalb der französischen Rechten eher stiller geworden ist

 23.02.2025

Türkei

Berichte: Türkische Polizei verhaftet Mann, der Anschläge auf Juden plante

Der Tatverdächtige soll Befehle vom Islamischen Staat erhalten haben

 21.02.2025

London

Fasten und Beten gegen säkulare Bildung

Die ultraorthodoxe Gemeinde fürchtet die staatliche Kontrolle ihrer Schulen. Andere Juden finden gerade dies dringend nötig

von Daniel Zylbersztajn-Lewandowski  17.02.2025

Meinung

Wie das Ende eines Alptraums, der fünf Jahre gedauert hätte

Alon Ishay ist erleichtert, dass die Koalitionsgespräche der FPÖ vorerst gescheitert sind

von Alon Ishay  17.02.2025

USA

Die Hoffnung von San Francisco trägt Levi’s-Jeans

Dem beliebten Touristenziel geht es schlecht. Der Millionenerbe und Philanthrop Daniel Lurie soll es richten. Er ist der vierte jüdische Bürgermeister Westküstenmetropole

von Sarah Thalia Pines  16.02.2025

USA

Aus dem Schatten von Taylor Swift

Gracie Abramsʼ Stern scheint am Pophimmel gerade besonders hell. Das liegt nicht nur an ihrer besten Freundin

von Nicole Dreyfus  16.02.2025

Griechenland

Israelisches Paar in Athen angegriffen

Der Mann und die Frau sprachen auf der Straße Hebräisch – zwei arabischsprachige Männer attackierten sie mit einem Messer

 16.02.2025

Australien

Krankenpfleger drohen, israelische Patienten zu ermorden

Premierminister Anthony Albanese sagt, das Video sei »von Hass getrieben und widerlich.«

von Imanuel Marcus  14.02.2025

Polen

Ronald S. Lauder erhält Karski-Preis

Lauder wird für sein Engagement für die Erneuerung jüdischen Lebens in Polen und das Schoa-Gedenken geehrt

 13.02.2025