Die Regierung der Republik Zypern hat ihr Vorhaben aufgegeben, das koschere Schlachten von Tieren zu kommerziellen Zwecken vorübergehend zu erlauben. Die Maßnahme war in erster Linie als Unterstützung für einheimische Schaf- und Ziegenhalter in der Corona-Krise gedacht. Ziel war es, die Fleischexporte nach Israel anzukurbeln. Auch die kleine jüdische Gemeinschaft auf der Insel hatte die Maßnahme begrüßt.
CORONA-HILFSPAKET Ende vergangener Woche gab Landwirtschaftsminister Costas Kadis aber bekannt, das die entsprechende Passage wieder aus dem geplanten Hilfspaket für die zyprischen Bauern gestrichen worden sei. Vorgesehen war, zunächst bis Ende des Jahres das betäubungslose Schlachten nach jüdischem Ritus zu gestatten. Oppositionsparteien und Tierschutzgruppen hatten die Pläne der Mitte-Rechts-Regierung mit scharfen Worten abgelehnt.
Kadis erklärte aber nun, man sei davon wieder abgerückt, weil die Maßnahme nur einen »zweifelhaften Nutzen« gebracht hätte und womöglich mit europäischem Recht unvereinbar gewesen wäre. Außerdem habe es keine Möglichkeit für sofortige Exporte nach Israel gegeben. Das dortige Oberrabbinat sowie die israelischen Gesundheitsbehörden hätten die Schlachthäuser erst inspizieren und lizenzieren müssen. Als »Sofortmaßnahme« sei ein solcher Schritt deswegen nicht geeignet, so der Minister im zyprischen Fernsehen.
ENTTÄUSCHUNG Die jüdische Gemeinde zeigte sich über den Rückzieher der Regierung schwer enttäuscht. »In einer Zeit enormer wirtschaftlicher Schwierigkeiten ist es wichtig zu begreifen, dass die Ausfuhr von koscherem Fleisch, im Einklang mit dem EU-Recht, unsere Wirtschaft signifikant unterstützen würde, was das Einkommen und auch die Beschäftigung angeht«, erklärte das Rabbinat in der Hauptstadt Nikosia in einer Stellungnahme.
Die Argumentation von Landwirtschaftsminister Kadis, Zypern hätte sich mit einer Zulassung des Schächtens zu kommerziellen Zwecken möglichen EU-Sanktionen ausgesetzt, wies man zurück. Koscheres Schlachten sei mit der einschlägigen EU-Verordnung vereinbar, so die Gemeinde.
GERICHTSHOF Grundsätzlich ist nach EU-Recht zwar das Schlachten ohne vorherige Betäubung verboten. Zum Schutz der Religionsfreiheit dürfen die EU-Mitgliedsstaaten aber Ausnahmen für die religiösen Gemeinschaften gestatten. Zudem müssen alle Schlachthöfe in der Europäischen Union, die koscher oder halal schlachten, eine Reihe technischer Anforderungen erfüllen.
In Kürze wird der Europäische Gerichtshof (EuGH) über eine Klage jüdischer Organisationen in Belgien verhandeln. Zwei der drei belgischen Regionen – Flandern und Wallonien – hatten vor zwei Jahren das rituelle Schächten verboten. Die mündliche Verhandlung in Luxemburg war ursprünglich für den 21. April vorgesehen, wurde aber wegen der Corona-Pandemie verschoben. Ein neuer Termin steht laut einem Sprecher des Gerichtshof noch nicht fest.
Sollten die obersten EU-Richter den Mitgliedsstaaten ein ausnahmsloses Verbot des Schächtens gestatten, könnte dies einen Schneeballeffekt auslösen und so weitreichende Folgen für die jüdischen und muslimischen Gemeinschaften in Europa haben.