In den Herbstferien kommen jetzt die letzten Tourengäste in die Schweizer Berge, bevor in wenigen Wochen die Wintersaison startet. Seit Tischa BeAw Mitte August reisten auch wieder viele charedische Urlauber an. Die Sukkotfeiertage allerdings brachten keine ausländischen jüdischen Touristen mehr in die Schweizer Berge, denn Sukkot fiel nur zum Teil in die Schweizer Herbstferien. Chanukka dagegen wird in diesem Jahr zusammen mit den christlichen Feiertagen begangen, und daher ist das Angebot an koscheren Herbergen beachtlich.
Bevorzugtes Ziel der Charedim war bisher Davos. Auch der Nobelort St. Moritz im Kanton Graubünden hieß wieder orthodox-jüdisches Klientel willkommen. In St. Moritz war über Jahrzehnte hinweg das vielleicht bekannteste koschere Hotel »Edelweiss« traditioneller Anlaufpunkt für religiöse Gäste. Im Zweiten Weltkrieg diente es teilweise als Zufluchtsort für jüdische Flüchtlinge. Vor einigen Jahren musste das »Edelweiss« seine Tore schließen. In diesem Sommer kam es jedoch zu einem kleinen Comeback.
Kempinski Die Hotelkette »Kempinski«, seit einigen Jahren im ehemaligen Olympiaort mit einem Fünf-Sterne-Haus vertreten, tat sich mit dem aus der Schweiz stammenden Londoner Caterer Arieh Wagner zusammen, um in einem Teil des »Edelweiss«-Hauses ein hochklassiges Koscher-Angebot zu bieten. Selbst zum Abschluss der Saison kamen nochmals rund 80 Gäste. Dass Kempinski jetzt mit Wagner zusammenarbeitet, entbehrt nicht einer gewissen Ironie, denn Wagner entstammt der jüdischen Hotelierfamilie Wagner-Kahn. Diese hatte im Berner Oberland jahrzehntelang das »Silberhorn« betrieben, ebenfalls ein koscheres Hotel, in dem sich der frühere israelische Ministerpräsident Jitzchak Schamir, aber auch Schweizer Politiker gerne einfanden.
Doch auch das »Silberhorn« musste schließen, denn den oft kinderreichen jüdischen Familien wurden Hotels zu teuer. Auch in dieser Saison bevorzugten sie Ferienwohnungen. Und so beherbergen nun auch kleinere Orte in den Bergen, die nie über ein koscheres Hotel verfügt hatten, ein jüdisch-orthodoxes Stammpublikum.
Doch das geht nicht ganz ohne Schwierigkeiten ab. In Saas-Grund im Kanton Wallis, sagt Jonathan Schoppig vom Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund, seien die Begegnungen zwischen Gästen und Einheimischen »sehr spannend« gewesen. Offenbar hatte man Anstoß an der Kleidung der charedischen Gäste sowie an den Konsumgewohnheiten im Zusammenhang mit koscherer Nahrung oder dem Verhalten am Schabbat genommen. »Ich musste mir auch Klagen anhören«, berichtet Jonathan Schoppig weiter, »etwa, warum orthodoxe jüdische Gäste andere Touristen oder auch die Einheimischen gar nicht oder dann höchstens verschämt grüßen.«
Rabatt Auch Mitarbeiter einiger Bergbahnen hätten sich beklagt. Orthodoxe Gäste würden immer wieder versuchen, bei Wochenkarten Rabatte zu erhalten, weil sie diese am Schabbat ja nicht nutzen. Er habe aber auch viel Positives gehört, etwa das Lob, dass man in diesen Familien den großen Zusammenhalt und die Solidarität spüre.
Schoppig will nun weitere Gespräche führen, um eine Verbindung zwischen Touristen und Einheimischen herzustellen. Und er arbeitet an einer Art Leitfaden für den jüdisch-orthodoxen Feriengast in den Schweizer Bergen: »Darin sollte auch ein Rabbiner einige Dinge festhalten, wie die Forderung nach einer gewissen Grüßkultur, die durchaus in Einklang mit der Halacha steht.« Dieser Rabbiner wird allerdings noch gesucht, doch Schoppig ist zuversichtlich, ihn zu finden.