Die australische Universitätsprofessorin Lisa Jackson Pulver ist nicht irgendeine Jüdin. Zwar gehört sie einer Gemeinschaft an, zu der sich in Australien etwa 110.000 Menschen bekennen, doch sie ist auch Mitglied eines anderen Volkes – der Wiradjuri, eines Stamms australischer Ureinwohner.
Jüdische Ureinwohner scheinen auf den ersten Blick eine äußerste Rarität zu sein, doch die Professorin betont, sie sei bei Weitem nicht die Einzige. »Der erste Jude kam mit der ersten Flotte 1788 nach Australien, seither haben Juden Aborigines geheiratet, wenn sie keine weißen Frauen bekommen konnten«, sagt sie. »Es gibt jede Menge schwarzer Cohens, und sie sind jüdischer Abstammung.«
Doch von diesen »schwarzen Cohens« haben sicherlich nur die wenigsten, wenn überhaupt, den »Order of Australia« erhalten wie Jackson Pulver, Expertin für Aborigines-Gesundheit, der das Ehrenzeichen vergangene Woche verliehen wurde. In der Laudatio hieß es, sie bekomme die Auszeichnung für ihre »Beiträge zur medizinischen Ausbildung und ihr Engagement für Bildungsmöglichkeiten für australische Ureinwohner«.
Studium Lisa Jackson Pulver ist die erste Aborigine, die ein Medizinstudium an der University of Sydney abschloss. Jetzt leitet sie das Muru-Marri-Institut für die Gesundheit der indigenen Bevölkerung an der Universität von New South Wales in Sydney.
»Besonders stolz«, sagt sie, sei sie auf das Shalom-Gamarada-Stipendienprogramm, das sie 2004 gemeinsam mit Ilona Lee, Präsidentin des Shalom-Instituts, ins Leben rief, zu dem das jüdische College an der Universität von New South Wales gehört. »Das Programm hat den Zweck, Geld für indigene Studenten und Studentinnen zu beschaffen, die Medizin studieren wollen«, erklärt sie. 37 Aborigine-Studenten hätten mithilfe eines Stipendiums aus dem Programm bereits ihren Abschluss gemacht.
Die Gesundheit der indigenen Bevölkerung Australiens stellt ein massives Problem dar. Die Lebenserwartung der Aborigines – rund 400.000 Menschen – liegt etwa 20 Jahre niedriger als die Lebenserwartung der weißen Australier. »Wir konnten einige Erfolge erzielen«, sagt Jackson Pulver, die auch schottische und walisische Vorfahren hat, über ihre Bemühungen, die Gesundheit der Aborigines zu verbessern. »Es sterben weniger Babys. Und heute haben wir rund 150 Aborigine-Ärzte im Land. Vor 20 Jahren gab es einen Einzigen.«
Als »einen der wichtigsten Momente« ihrer Karriere beschreibt sie ihre Rede über den Gesundheitszustand der australischen Urbevölkerung 2004 vor dem britischen Unterhaus. Lisa Jackson Pulver, die ihre Aborigine-Herkunft zu ihren beiden eingeborenen Großmüttern zurückverfolgen kann, konvertierte 2004 zum orthodoxen Judentum.
gemeinsamkeit »Wir haben viele Dinge gemeinsam: unsere Geschichte der Enteignung, einen tiefen Sinn für Familie, Gemeinschaft und Volkszugehörigkeit und dafür, was falsch und was richtig ist«, erklärte Jackson Pulver, deren hebräischer Name Elisheva bat Sarah lautet. »Es gibt eine natürliche Beziehung zwischen meiner Aborigine-Spiritualität und meiner jüdischen Religion. Ich führe einen koscheren Haushalt und backe jeden Freitag mein eigenes Challa. Und ich folge den kulturellen und spirituellen Bräuchen der Kultur meiner Großmütter.«
In der Laudatio zur Verleihung des »Order of Australia« findet auch ihre Präsidentschaft der Newtown Synagoge, einer orthodoxen Gemeinde in Sydney, Erwähnung, die sie seit 2010 leitet.
Vic Alhadeff, Geschäftsführer des New South Wales Jewish Board of Deputies, sagte: »Das jüdische Volk und die eingeborenen Völker haben viele fundamentale Gemeinsamkeiten – eine tiefe Verbundenheit mit dem Land, eine Geschichte von Enteignung und Völkermord, die Bedeutung der Erinnerung und eine reiche, lebendige Kultur. Lisa Jackson Pulver verkörpert auf stolze Weise beide Aspekte ihrer Identität als erste Angehörige der Ureinwohner Australiens, die Präsidentin einer orthodoxen jüdischen Gemeinde ist.«