Man kann es sich nur schwer vorstellen, dass Menschen freiwillig nach Katar fahren, um sich dort Spiele der Fußballweltmeisterschaft anzuschauen. Und dass Juden so etwas tun, kann man sich eigentlich überhaupt nicht vorstellen, schließlich gilt Katar als Hauptfinancier von Hamas, IS und Al Qaida. Doch im Vorfeld der WM, die noch bis zum 18. Dezember in dem arabischen Land stattfindet, war dem Emir und seiner Clique sehr daran gelegen, für einen Imagewandel zu sorgen.
Obwohl es nach wie vor keine offiziellen Beziehungen zwischen Israel und dem Emirat gibt, besteht eine durchgängige Kooperation zwischen den Geheimdiensten beider Länder; allein schon, damit der Mossad einen Einfluss auf die Hilfslieferungen Katars nach Gaza hat. Doch jenseits dieser realpolitischen Kontakte ist und war man in Katar auf Schönwetter während der WM bedacht.
fluggesellschaft Und so hob am Sonntag vor Turnierbeginn eine Maschine der zypriotischen Fluggesellschaft TUS Airways mit 180 israelischen Fußballfans an Bord vom Ben Gurion Airport in Richtung Doha ab. Auf den Tickets war auf Arabisch, Hebräisch und Englisch das Motto »Making history« aufgedruckt, wie der israelische Nachrichtensender i24 News berichtete.
In der Woche zuvor hatten der Fußballweltverband FIFA und Israels scheidender Premierminister Yair Lapid angekündigt, Katar habe sowohl direkten Flugverbindungen wie auch der Öffnung eines speziellen israelischen Verbindungsbüros während der WM zugestimmt. Laut TUS Airways habe Katars zivile Luftfahrtbehörde insgesamt sechs Hin- und Rückflüge zwischen Tel Aviv und Doha durchzuführen.
Den rund 15.000 israelischen Landsleuten, die partout zur WM fliegen wollten, legte das Jerusalemer Außenministerium nahe, sich in Katar »vorsichtig zu verhalten«. Das scheint auch notwendig zu sein, denn nach Recherchen der »Jerusalem Post«, die der Jüdische Weltkongress (WJC) durch eine Beschwerde indirekt bestätigte, soll Katar die zuvor erteilte Zusage zurückgenommen haben, für jüdische WM-Gäste dafür zu sorgen, dass eine Grundversorgung mit koscheren Lebensmitteln während des Turniers gewährleistet sei.
verbindungen Zuvor hatte Rabbi Marc Schneier aus New Yorks Hampton Synagogue auf Long Island, der über beste Verbindungen in die muslimische Welt verfügt, gemeinsam mit einem türkischen Rabbiner angekündigt, dass in Katar koschere Nahrungsmittel erhältlich sein würden.
Abgesehen davon, dass man gut darüber streiten kann, ob ein Besuch der WM in einem undemokratischen Menschen-, Frauen- und LGBTQ-Rechte gleichermaßen verletzenden Land überhaupt koscher sein könne, hörte sich der Deal um die koschere Grundversorgung der jüdischen Fans aus Israel und der ganzen Welt in Katar ohnehin eher wie ein PR-Gag an.
In den nächsten Wochen werden rund 15.000 israelische Fans erwartet.
Nun scheint Schneiers Plan geplatzt, auch die abgesperrten Gebetsorte für religiöse Juden unter den WM-Touristen falle flach, so die »Jerusalem Post«. Angebliche Begründung des Regimes in Doha: Man könne die Sicherheit der jüdischen Gäste nicht garantieren. Nach dem Zeitungsbericht schlug der angebliche Bann Katars gegen die koschere Küche hohe Wellen.
WJC-Präsident Ronald S. Lauder ließ verlauten: »Ich bin außer mir über Berichte, dass katarische Behörden den Verkauf gekochten koscheren Essens und das Zusammenkommen zum öffentlichen Gebet im Zusammenhang mit dem Aufenthalt bei der WM verboten haben. Damit wird für Zehntausende observante Juden, die in den kommenden Wochen in das Land reisen wollten, ein Besuch der WM unmöglich.« Die WM sollte als einigendes Ereignis für alle Sportfans fungieren, die aus Liebe zu ihrem Sport zusammenkommen – unabhängig von ihrer religiösen Ausrichtung.
Der WJC appelliert an die FIFA und die Regierung Katars, »die Möglichkeit für jüdische Fans, offen ihren Glauben zu praktizieren, sicherzustellen«.
BAGELS Derweil, so verlautete aus Katar von Rabbi Schneiers türkischem Kollegen Eliyahu Citrik, dessen Vater Mendy Vorsitzender der Alliance of Rabbis in Islamic States ist, dass es in Katar koschere Bagels mit Hummus, Gemüse und Räucherlachs sowie Challa zum Schabbat geben werde – immerhin.
Dass das Ganze wie eine Posse klingt eingedenk der bisher gänzlichen Abwesenheit jüdischen Lebens in Katar und der israelfeindlichen Haltung des diktatorisch regierten Kleinstaats am Persischen Golf, trifft es nur halb. Denn gerade den israelischen Sportfans wäre eigentlich ein festerer moralischer Kompass zuzutrauen gewesen.
Und der Gedanke, dass es sich bei den 15.000 Israelis mehrheitlich um observante Juden handle, denen in Katar eine religiöse Grundversorgung gewährleistet werden müsse, klingt bei allem Respekt eher nach Eigenwerbung des umtriebigen Rabbi Schneier, der damit für seine Foundation for Ethnic Understanding trommelt.
»One LOVE«-BINDE Es wird also voraussichtlich nichts mit der heimischen Küche zur WM in Katar. In einem Staat, der keinerlei jüdische Traditionen kennt – und streng darauf bedacht ist, keine »schädlichen« westlichen Einflüsse ins Land zu lassen, ist das auch kein Wunder. Und die Debatte um die »One Love«-Binde europäischer Spitzenteams, die als Solidaritätssymbol für die LGBTQ-Gemeinschaft verstanden und deshalb auch gleich von FIFA und Katar abgelehnt wurde, zeigt deutlich, wes Geistes Kind der Emir und seine Leute sind.
Der Blick zurück auf vergangene Weltmeisterschaften lässt die Debatte um die koschere Grundversorgung am Golf noch absurder erscheinen. Beim besten Willen enthält die Erinnerung an das Sommermärchen 2006 keine Challot auf der Fanmeile oder Lox-Bagels am Stadion. Und jenseits dessen kann man den israelischen und jüdischen WM-Pilgern nur zurufen: Passt auf euch auf und kehrt gesund wieder zurück!