Sie haben eine Marktlücke entdeckt. Seit etlichen Jahren bauen Bruno und Marina Garzotto in ihrer Tischlerei in Zürich auch Laubhütten. Neben dem Seniorchef und seiner Frau – beide sind schon im Rentenalter – arbeitet ein Sohn der beiden sowie ein Lehrling in dem 1926 gegründeten Unternehmen. Wie die meisten Tischlereibetriebe fertigen auch die Garzottos vor allem Spezialschränke an, bauen Küchen ein und hier und da ein Dach aus.
»Aufträge, eine ganz neue Sukka zu bauen, bekommen wir pro Jahr etwa fünf bis sechs«, sagt Marina Garzotto, die in der Firma auch für das Sekretariat zuständig ist. Die Produktpalette ist groß: Von der kleinen und bescheidenen Sukka für den Balkon einer Mietwohnung bis zur großen Festhütte für Dutzende Menschen im Garten oder vor dem Haus ist bei Garzottos alles zu haben.
Die Firma wurde auch schon von den großen Gemeinden wie der Israelitischen Cultusgemeinde Zürich (ICZ) oder der Israelitischen Religionsgesellschaft Zürich (IRG) angefragt, eine Sukka zu bauen und aufzustellen. Für das frühere Hotel »Silberhorn« in Grindelwald errichteten die Garzottos ebenfalls eine Hütte.
Kosten Eine durchschnittlich große Sukka mit vier bis sechs Plätzen ist allerdings nicht ganz billig: Mit rund 12.000 Franken (knapp 10.000 Euro) muss eine Familie, die das religiöse Gebot von »leschew basukka« (in der Sukka zu sitzen) im eigenen Haus erfüllen möchte, rechnen. In Zürich, wo in der Schweiz die meisten Juden leben, kann aber nicht jeder so viel Geld ausgeben. Gerade orthodoxe und oft kinderreiche Familien sind auch anderenorts dazu nicht in der Lage.
Doch auch ihnen bieten die Garzottos ihre Dienste an: »Wir helfen gern, die eigene Sukka, die im Keller eingelagert ist, aufzustellen.« Dies sei vor allem bei älteren Menschen beliebt, sagt die Seniorchefin. »Wenn alle Teile vorhanden sind und wir sie auch gleich finden, erledigen wir solche Aufträge innerhalb einer Stunde.« Und auch nach den Feiertagen sind die Handwerker zur Stelle – wenn die Teile wieder in den Keller müssen.
Vor logistische Probleme stellt die Garzottos allerdings die Geografie: Ihre Laubhütten-Dienstleistungen beschränken sich auf den Großraum Zürich, abgesehen von dem einen oder anderen Auftrag in der französischsprachigen Schweiz, zum Beispiel in Genf.
Einmal habe es eine Anfrage aus England gegeben, aus Manchester: Ein Züricher, der sich dort niedergelassen hatte, fragte an, ob sie ihm eine fertige Sukka liefern könnten. Ein Lastwagen brachte die in Einzelteile zerlegte Sukka zum Empfänger. »Zusammenbauen konnte er sie selbst«, sagt Marina Garzotto. »Wir wären sehr gerne nach Manchester gereist, da waren wir nämlich noch nie«, meint sie schmunzelnd. Doch das wäre für das Kleinunternehmen eine zeitliche Herausforderung gewesen.
Idee Doch wie kam der Züricher Schreinermeister zu diesem doch sehr speziellen Zusatzgeschäft? »Die Schule war schuld«, sagt Martina Garzotto. Ihr Mann sei mit einem orthodoxen Juden zur Schule gegangen. Die beiden wurden Freunde, und als das nächste Sukkotfest anstand, war die Neugier des kleinen Bruno angestachelt: Er wollte die Laubhütte seines jüdischen Freundes von innen sehen.
Auch als die beiden Schulfreunde später Familien gründeten, blieb der Kontakt bestehen. »Und irgendwann fragte dieser Freund meinen Mann, warum er denn als Schreinermeister diese offensichtliche Marktlücke, den Bau und das Aufstellen von Laubhütten, nicht ausfüllen wolle«, erinnert sich Marina Garzotto. Jüdische Schreiner gebe es in der Schweiz nur sehr wenige.
Doch zuerst mussten die Rabbiner der orthodoxen Gemeinden davon überzeugt werden, dass auch ein nichtjüdischer Tischlermeister durchaus in der Lage ist, eine koschere Sukka zu bauen. Marina Garzotto kennt die entsprechenden Vorschriften inzwischen fast auswendig.
Tür »Wir sind heute in allen jüdischen Kreisen der Stadt, auch den sehr orthodoxen, gut angesehen«, meint Bruno Garzotto. Sein Betrieb befindet sich mitten in einem Züricher Stadtteil, in dem sehr viele orthodoxe Juden leben. Als vor einigen Jahren in den ersten Tagen von Sukkot ein Sturm etliche der nicht sehr stabil konstruierten Hütten zerstörte, ging Garzotto mit seinen Mitarbeitern von Tür zu Tür. Er half, ohne dass ihn jemand gerufen hatte, tat das Nötige, damit die Hütten wenigstens teilweise weiterbenutzt werden konnten – auch jene, die er nicht selbst aufgestellt hatte.
Damit verschaffte er sich den Respekt vieler gesetzestreuer Juden. Nicht selten ergab sich daraus der eine oder andere Zusatzauftrag – etwa, wenn ein neuer Toraschrank getischlert werden musste oder bei einer Familie Schreinerarbeiten zu verrichten waren.
Marina Gazotto betont, dass auch in diesem Jahr etliche Anfragen für das Aufstellen oder sogar den Bau einer Sukka ein bis zwei Tage vor dem Fest eingetroffen sind. »Diese Leute mussten wir enttäuschen und auf das nächste Jahr vertrösten. Wir haben sie gebeten, sich nach Pessach zu melden. Dann reicht die Zeit.«