Wie das gesamte Land könnte demnächst auch die jüdische Gemeinde in Portugal einen Aufschwung erfahren. Auf den ersten Blick klingt das ungewöhnlich. Denn bei der letzten Volkszählung vor sieben Jahren gaben von knapp neun Millionen Portugiesen gerade einmal rund 3000 an, jüdisch zu sein. Doch seitdem hat sich Grundlegendes getan.
Die Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes im Jahr 2015 ermöglicht es Nachfahren von Sefarden, in einem vereinfachten Verfahren den portugiesischen Pass zu erhalten. Der Erfolg des geänderten Gesetzes ist atemberaubend. Seit 2016 haben laut dem dafür zuständigen Institut für Register- und Notariatswesen 12.610 Nachfahren von Sefarden den Antrag gestellt und davon bisher 2160 die portugiesische Staatsangehörigkeit auch erhalten.
Pass Für Gabriel Steinhardt, den Präsidenten der jüdischen Gemeinde in Lissabon, ist das ein Grund, vorsichtig optimistisch zu sein. »Die jüdische Gemeinde in Lissabon wächst. Und nicht zuletzt wegen der allgemein guten wirtschaftlichen Lage erwarten wir, dass einige, die den portugiesischen Pass erhalten haben, auch bleiben und unsere Gemeinde beleben werden«, sagt Steinhardt und fügt an: »Wir freuen uns jedenfalls darauf.«
Im Fokus steht in Portugal zum einen die Erinnerung an das reiche sefardische Erbe des Landes und die Erinnerung an die Zerstörung des portugiesischen Judentums während der Inquisition im 15. Jahrhundert. Zum anderen wird vom portugiesischen Staat das jüdische Erbe durchaus auch als wirtschaftlicher Faktor im Bereich Tourismus gesehen und dementsprechend gefördert und beworben.
Dieser Ansatz geht auf den konservativen Ministerpräsidenten Passos Coelho zurück, wurde aber auch von seinem sozialistischen Nachfolger António Costa weiterverfolgt.
Immobilien Die jüdische Gemeinde berät die Regierung hierbei, so Steinhardt. Grundsätzlich sieht er die Entwicklung der letzten drei Jahre sehr positiv. »Es ist gut für sefardische Juden und das Judentum allgemein, aber besonders für Portugal, weil das Land auch dadurch für Investitionen vor allem im Immobiliensektor interessant wurde.«
Aus diesem Grund reiste die portugiesische Tourismusministerin Ana Mendes Godinho Ende Februar zusammen mit Steinhardt und dem Rabbiner der Lissabonner Gemeinde, Natan Peres, in die USA. Dort trafen sie Vertreter jüdisch-amerikanischer Organisationen wie des American Jewish Committee oder der American Sephardi Federation, um die weit zurückreichende Geschichte der portugiesischen Juden zu diskutieren. In diesem Rahmen skizzierte Godinho noch einmal den Ansatz der Regierung: »Da wir ein großes jüdisches Erbe haben und eine lange und tiefe Verbindung zur Gemeinde, sehen wir als eine Priorität unserer Politik die Förderung des jüdischen Erbes und der jüdischen Wege in Portugal.«
Doch wie bei einer Tourismusministerin nicht anders zu erwarten, ging es bei der Amerikareise keineswegs nur um historische und kulturelle Aspekte, denn der touristische Sektor ist mit einem Anteil von rund zwölf Prozent am Bruttoinlandsprodukt ein wichtiger Faktor für den Aufschwung der vergangenen Jahre. Aus diesem Grund war die Reise in die USA eine Werbetour mit klarem Ziel. »Wir wollen jüdische Präsenz in Portugal, und wir suchen nach jüdischen Investitionen«, gab Godinho unumwunden zu.
Steinhardts Fazit der Reise fällt ausnehmend gut aus. »Wir wurden sehr positiv aufgenommen, und ich denke, wir können bald Ergebnisse sehen«, beschreibt er seinen Eindruck von den Treffen.
Antisemitismus Ein wichtiger Gesichtspunkt, der Portugal für Juden und jüdisches Leben attraktiv macht, ist die fast vollständige Abwesenheit von Antisemitismus. Anders als in anderen europäischen Ländern gibt es keine rechtspopulistischen Parteien und keinen nennenswerten Islamismus.
Das bestätigt auch Steinhardt. »Portugal ist nicht nur kein antisemitisches, sondern gar ein philosemitisches Land. Wir sind weit entfernt von den politischen und sozialen Problemen und Herausforderungen anderer Länder in der EU.«