Keine fünf Tage dauerte es, dann hatten die Protestierer ihr Ziel erreicht. Die Leitung des Trinity College in Dublin, der renommiertesten Universität Irlands, knickte vor der BDS-Kampagne ein. Man habe sich mit den Demonstranten geeinigt, dass diese ihr Protestcamp auflösen würden, teilte das Rektorat der im 16. Jahrhundert von Englands Königin Elisabeth I. gegründeten Hochschule mit.
Im Gegenzug werde sich das Trinity College »vollständig von Investitionen in israelische Unternehmen trennen, die in den besetzten palästinensischen Gebieten tätig sind und auf der schwarzen Liste der Vereinten Nationen stehen«. Davon sei zwar nur ein Unternehmen betroffen, hieß es in Dublin, aber das war noch nicht alles: Auch die Zusammenarbeit mit israelischen Universitäten soll überprüft werden. Eine Arbeitsgruppe mit Vertretern von Akademikern und Studierenden und einem externen Vorsitzenden soll sich dieses Themas annehmen. Weitere Divestments von israelischen Unternehmen würden ebenfalls geprüft.
Dass Irland traditionell »palästinenserfreundlich«, sprich: »israelkritisch«, tickt, ist nicht neu. Dass die führende Universität vor studentischen Forderungen so in die Knie geht, kommt dennoch überraschend.
Der leitende Dekan Eoin O’Sullivan dankte den BDS-Leuten sogar noch für ihr »Engagement« zum Thema Gaza und betonte, wie sehr man doch die »anhaltenden grausamen und unverhältnismäßigen Angriffe in Gaza« Israels verabscheue.
Die »Entmenschlichung der Menschen« in der seit 2007 von der Hamas beherrschten Küstenenklave nannte er »obszön«. Um die Balance zu wahren, verurteilte O‹Sullivan natürlich auch die Massaker des 7. Oktober 2023 und die Geiselnahmen von Israelis – allerdings, ohne die Hamas auch nur mit einem Wort zu erwähnen.
Unklar ist, ob es das Verständnis für die Anliegen der Protestierer war oder doch eher die Tatsache, dass wegen der Campus-Besetzung Besuchern der Zugang zur Old Library des Colleges und dem dort ausgestellten Book of Kells (einem Gesangbuch aus dem 9. Jahrhundert) verwehrt wurde, das ausschlaggebend für den Deal war. Jedenfalls ist die prächtige Trinity-Bibliothek ein Touristenmagnet. Rund 1000 Euro erwirtschaftet die Hochschule jeden Tag allein durch Eintrittsgebühren.
Die können wahrscheinlich gut gebraucht werden, denn das College kündigte zudem an, künftig sechs Doktoranden und zwei Studenten aus dem Gazastreifen ein gebührenfreies Studium zu ermöglichen. Normalerweise fallen für internationale Studierende knapp 19.000 Euro Studiengebühren an – für viele alles andere als ein Pappenstiel.
Die offizielle Vertretung der Studierenden hieß das Abkommen gut. »Das zeigt die Macht von Studierenden und Mitarbeitern, die sich für die gerechte Sache der palästinensischen Befreiung einsetzen und die Komplizenschaft mit israelischem Völkermord, Apartheid und Siedlerkolonialismus beenden wollen«, erklärte der scheidende Vorsitzende László Molnárfi, der sich auf seinem X-Profil standesgemäß mit der Kufija, dem Palästinensertuch, präsentiert und einer der Anführer des Campus-Protests war.
Was Molnárfi auf X auch noch schrieb: »Wir können uns nicht organisieren, indem wir unsere Botschaft abschwächen, um die Liberalen zu besänftigen. Nur wenn wir einen antikapitalistischen Weg zur Veränderung des Systems einschlagen, können wir gewinnen. Die Linke wächst in der ganzen Welt, und wir ersetzen Apathie durch den Glauben an kollektives Handeln. Vorwärts!«
Damit wollte sich die Trinity-Führung nicht solidarisieren. Und - auch das sei hier erwähnt - sie hatte ein gutes Wort für alle Seiten übrig: »Trinity respektiert die entschiedene Haltung, die von den Teilnehmern des Camps zum Ausdruck gebracht wurde, und das Recht auf friedlichen Protest in Übereinstimmung mit den College-Regeln. Wir werden auch weiterhin mit unseren jüdischen Mitarbeitern und Studenten, die davon betroffen sind, zusammenarbeiten.«