Es sind vor allem Amerikaner in Freizeitkleidung, die sich auf den uralten Holzbänken drängen. Einige tragen Baseball-Kappen – ob wegen der frühsommerlichen Hitze oder aus Respekt vor dem Bethaus, ist unklar. Der eine oder andere Besucher setzt sich wie selbstverständlich die mitgebrachte Kippa auf, sobald er den barocken Raum mit der hellblau-weißen Deckenbemalung betritt.
»Dies ist nach Prag die zweitälteste europäische Synagoge, die durchgehend benutzt wurde«, erklärt die kroatische Fremdenführerin der bunten Runde aus einem hier ankernden Kreuzfahrtschiff. Die Gruppe war eine steile, enge Treppe zum Bethaus im zweiten Stockwerk hinaufgestiegen. Kühl ist es im Inneren des mittelalterlichen Hauses. Es liegt in einem winzigen Gässchen, der Ulica Zudioska (Judengasse), gleich neben der belebten Placa mit ihren hellen, spiegelglatt polierten Pflastersteinen.
zuflucht Erstmals wurde in Dubrovnik im Jahr 1408 eine Synagoge urkundlich erwähnt. Doch erst ab 1546 durften sich Juden innerhalb der Stadtmauern ansiedeln. Zwar gab es schon in der Römerzeit Juden in Dalmatien, aber die Gemeinde in Dubrovnik wuchs vor allem durch Zuzug von der Iberischen Halbinsel. Schon im frühen 15. Jahrhundert flohen Juden vor der zunehmenden Verfolgung aus dem heutigen Spanien und Portugal.
Ab der großen Vertreibung 1492 gab es dann ganze Flüchtlingsschiffe, die nach Osten segelten, ins Osmanische Reich, das ihnen Zuflucht gewährte. Eine Reihe von Familien blieb in Dubrovnik, das eigentlich bloß als Zwischenstation geplant war. Der Stadtstaat war 1358 von Venedig unabhängig geworden, und seine regierenden Familien schafften es, rund 450 Jahre lang dank geschickter Politik und umfangreicher Tributzahlungen zwischen den Osmanen und der christlichen Welt mehr oder weniger erfolgreich zu bestehen.
Dubrovnik war ein günstig gelegener Handelsstützpunkt: Hier wurden moderne Schiffe gebaut, und die Stadt gehörte zu einem fein gesponnenen überregionalen diplomatischen Netz. Dubrovnik galt als früher Wohlfahrtsstaat, als Zentrum der Künste und Technik, als relativ liberale Adelsrepublik.
Blütezeit An diesem blühenden Leben hatten Juden regen Anteil. Es waren rund 250 Frauen und Männer, die in der kleinen Gemeinde lebten. Und auch, wenn es ihnen nicht erlaubt war, Grund und Boden zu erwerben und sie in der Politik keine Rolle spielten, konnten sie sich doch in unterschiedlichen Bereichen bewähren. Es gab eine größere Anzahl jüdischer Ärzte, es gab Übersetzer, Dichter und Schriftsteller. Über die Stadtgrenzen hinaus bekannt war Didacus Pyrrhus, der aus dem portugiesischen Evora stammte und auf Latein schrieb. Seine Kollegen Salmon Oef und Aron Coen dichteten auf Hebräisch.
Im Geschäftsleben konnten einige Juden mit ihren katholischen Nachbarn mithalten. Andere Religionen waren innerhalb der Stadtmauern verboten, weder Muslime noch Orthodoxe durften sich hier ansiedeln.
Handel Juden importierten Gewürze, Wolle und Wachs aus dem Orient und lieferten diese Güter in den Westen; dort wiederum kauften sie Textilien oder Papier ein. Sie besaßen nicht nur Frachtsegler, sondern waren bereits in frühen »Aktiengesellschaften« engagiert: Um das Risiko des Überseehandels zu streuen, erwarb eine einzelne Familie nicht selbst ein ganzes Schiff, sondern hielt bloß Anteile daran, dafür gleichzeitig an mehreren.
Die kleine Gemeinde dürfte einen relativen Wohlstand erreicht haben. Davon zeugt noch heute die Synagoge. Sie wurde in barockem Stil ausgebaut und überlebte die Zerstörungen des Erdbebens von 1667 ebenso wie die beiden Artillerietreffer des jugoslawischen Kriegs 1991. Für die einstige Blüte sprechen auch die zahlreichen religiösen Kultgegenstände, die man im Museum ein Stockwerk unter der Synagoge besichtigen kann: reich mit Gold verzierte Toramäntel, bestickte, spitzenverzierte Vorhänge von Toraschreinen, venezianische Rimonim aus Silber, Menorot und Silberteller. Die ältesten Torarollen aus dem 13. Jahrhundert stammen noch aus Spanien und wurden auf die Flucht mitgenommen.
Doch auch im scheinbar sicheren Dubrovnik waren die Juden nicht immer vor Verfolgung und Angriffen gefeit. Mehrmals wurden sie zum Ziel von Feme-Anklagen, Vertreibung und auch Ermordung: 1502, 1515 und 1571. Am schlimmsten wurde es im Jahr 1622. Da führte eine falsche Beschuldigung zur Flucht fast aller Juden aus der Stadt. Eine Erleichterung kam dann ironischerweise durch einen fremden Eroberer, Napoleon Bonaparte, der die Juden den übrigen Bürgern gleichstellte.
verfassung Unter den nächsten Herrschern, den Habsburgern, gab es zunächst wieder einen Rückschritt – bis schließlich im Jahr 1867 eine liberale Verfassung verabschiedet wurde und auch die jüdische Gemeinde Zagreb, zu der Dubrovnik heute gehört, ihren großen Tempel einweihte.
Während der Doppelmonarchie wanderten zwar einige aschkenasische Juden zu, doch schrumpfte die Gemeinde kontinuierlich. Im Zweiten Weltkrieg besetzten die Italiener Dubrovnik und errichteten mehrere Lager am Hafen und auf den beiden vorgelagerten Inseln Lopud und Kupari, wohin sie Juden verschleppten. Später wurden sie – gemeinsam mit Juden aus anderen Gegenden des Balkans, die vor den Nazis geflohen waren – in einem KZ auf der Insel Rab interniert. Ein Großteil von ihnen überlebte, weil Tito-Partisanen sie befreiten und vor der Deportation in die Vernichtungslager bewahrten.
Heute ist die jüdische Gemeinde der Stadt winzig, sie zählt weniger als 50 Personen. Die meisten leben in der Umgebung der Altstadt, und es finden sich unter ihnen nur wenige junge Mitglieder. Für sie gibt es keine eigene jüdische Schule; wer an jüdischem Lernen interessiert ist, muss nach Zagreb ausweichen. Die Gemeinde hat auch keinen eigenen Rabbiner. Nur an den Feiertagen wird in der Synagoge gebetet, dann kommt der Rabbiner aus Zagreb. Und manchmal ist unter den Passagieren der Kreuzfahrtschiffe ein Rabbi.
Aber auch in der leeren Synagoge lässt sich noch ein ferner Nachklang erahnen von der Mischung aus Ladino, Latein und Hebräisch, die hier einst regelmäßig die Mauern erfüllte; von den kräftigen Gesängen der würdevollen Handelsherren und Doctores rund um die Bima und vom leisen Getuschel der Frauen hinter den hölzernen Gittern hoch oben an den beiden Seitenwänden.
Die Synagoge und das Museum sind täglich von 10 bis 20 Uhr geöffnet. Eintritt: 20 Kuna (3 Euro)