Früh hat die Föderation jüdischer Gemeinden Russlands (FEOR) die Folgen der verheerenden Wald- und Torfbrände im Land erkannt. Ganze Dörfer sind abgebrannt, Hunderte Menschen standen obdachlos auf der Straße. »Im Moment allgemeinen Leids müssen wir zusammenstehen und einander helfen«, erklärte Oberrabbiner Berl Lasar und rief die Rabbiner in den Regionen auf, allen Opfern der Brandkatastrophe Hilfe zu leisten, unabhängig von deren religiöser Herkunft. Die Mitglieder der Moskauer Gemeinde reagierten spontan. Sie haben gebrauchte Kleidung und Bettwäsche sowie Medikamente und Lebensmittel ins Gemeindezentrum »Schaarej Zedek« im Norden Moskaus gebracht. Außerdem spendeten sie Geld, mit dem die FEOR unter anderem neue Schuhe für die Brandopfer einkaufte. »Bereits Anfang August konnten wir zwei Minivans mit Hilfsgütern nach Beloomut im Moskauer Gebiet schicken«, sagt FEOR-Pressesprecher Andrej Glozer.
Das Dorf im äußersten Süden des Moskauer Gebiets, unweit der Großstadt Rjasan, wurde von der Katastrophe hart getroffen. Rund 300 Einwohner verloren ihre Häuser in den Flammen. »150 der betroffenen Einwohner, die zurzeit in einem Wohnheim untergebracht sind, haben wir am Tag der Anlieferung der Hilfsgüter außerdem mit einer warmen Mahlzeit versorgt«, ergänzt Glozer.
unbürokratisch Auch der Russische Jüdische Kongress (REK) reagierte schnell. Er beauftragte seine 53 Repräsentanten in den Regionen, vor Ort mit den Betroffenen zu sprechen und die Hilfe zu organisieren. »Aus dem Budget der jeweiligen Repräsentanz und mit den Mitteln regionaler Sponsoren werden vor allem Kleidung und Medikamente eingekauft und verteilt«, sagt REK-Sprecher Michail Sawin. Die Verzweigung seiner Organisation bis in die Regionen erweise sich einmal mehr als großer Vorteil, betont Sawin. Repräsentanten und Sponsoren würden die Bedingungen und Ansprechpartner vor Ort kennen und könnten oft schneller und unbürokratischer helfen als die Verwaltung.
Doch nicht nur die beiden großen Organisationen helfen den Opfern der Brandkatastrophe. Auch die jüdischen Gemeinden in den Regionen selbst zeigen sich solidarisch. Die Gemeinde des Jüdischen Automomen Gebiets Birobidschan im Fernen Osten teilte am 13. August mit, Sach- und Geldspenden zu sammeln und an die Betroffenen in Woronjesch im Südwesten Russlands weiterzuleiten. Am 15. August folgte die Gemeinde von Nischni Nowgorod, die gemeinsam mit dem örtlichen jüdischen Zentrum Chesed Sara noch bis zum 25. August Kleidung und Haushaltsgegenstände für die Brandopfer sammelt. Und diesen Montag erklärte die jüdische Gemeinde in Rybinsk, 280 Kilometer nördlich von Moskau gelegen, dass sie Haushaltsgegenstände für Brandopfer im Gebiet Wladimir an die zuständigen Behörden abgegeben hat.
smog Vom Feuer verschont blieben die Einwohner Moskaus. Allerdings zog der beißende Rauch aus den Brandgebieten bis ins Stadtzentrum und machte den Menschen das Leben unerträglich: Die Wohnungen in den größtenteils nicht isolierten Beton-Plattenbauten hatten sich in drei Wochen bei Außentemperaturen von mehr als 35 Grad Celsius stark aufgeheizt. Wer keine Klimaanlage mit Luftfilter hatte, fühlte sich bald wie in einer Sauna – an Lüften war wegen des Rauchs nicht zu denken. Vor allem für Kinder und alte Menschen eine gefährliche körperliche Belastung.
»Die Zahl der Notrufe ist in den letzten Wochen erheblich angestiegen«, sagt Nikolaj Sajko von der Leitung des Moskauer Rambam-Krankenhauses. Vor allem ältere und chronisch kranke Menschen hätten angerufen und um den Hausbesuch eines Lungenarztes gebeten. Häufigste Gründe für die Notrufe: Atemschwierigkeiten sowie Herz- und Kreislaufprobleme. An die wenigen Moskauer Juden, die trotz des beißenden Rauchs selbst ins Krankenhaus kamen, gaben die Ärzte kostenlos Atemmasken aus. Die Besucher durften sich außerdem den gesamten Tag über im klimatisierten Aufnahmebereich des Krankenhauses aufhalten und wurden mit gekühlten Getränken versorgt.
Freiwillige Auch die Moskauer Organisation »Hillel« und die Hauptstadt-Filiale des Jewish Joint Distribution Committee erkannten, wie gefährlich die Schadstoffe in der Luft gerade für Ältere sind. In der jüdischen Gemeinde in Moskau suchten sie Freiwillige, die ältere Menschen zu Hause mit Hilfsdiensten unterstützen wollen. »Wir hofften, mit unserem Aufruf fünf bis zehn Freiwillige zu gewinnen. Jetzt haben wir 45 gefunden«, sagt Olga Golowanowa von Hillel. Von einem eigens eingerichteten Callcenter aus riefen die Freiwilligen die älteren Gemeindemitglieder an, um ihnen Unterstützung anzubieten. Rund 25 ältere Menschen nahmen das Angebot an.
»Einige haben wir aus der Stadt gebracht, aufs Land, wo die Luft nicht durch den Rauch verschmutzt ist«, sagt Golowanowa. Für andere, die die Stadt nicht verlassen wollten oder konnten, hätten die Freiwilligen eingekauft oder die Wohnung geputzt. Golowanowa ist begeistert von der Solidarität in der jüdischen Gemeinde und hofft, dass die Hilfsbereitschaft andauert, wenn die Brände gelöscht sind und die Luft auch in Moskau wieder besser ist.