Nach der Parlamentswahl in der Ukraine hofft Josef Zissels, Vorsitzender der Vereinigung jüdischer Organisationen und Gemeinden der Ukraine (Vaad) sowie Vizepräsident des Jüdischen Weltkongresses, auf eine schnelle Regierungsbildung.
Bei der Wahl am vergangenen Sonntag bekamen prowestliche Parteien die meisten Stimmen, doch die Regierungsbildung wird kompliziert. Nach Auszählung von 92 Prozent der Stimmen lag die Partei Narodni Front von Ministerpräsident Arsenij Jazenjuk mit rund 22 Prozent vorn. Der Block Petro Poroschenko, die Präsidentenpartei, kommt auf 21,8 Prozent. Rechte Parteien verpassten den Einzug in die Werchowna Rada, allerdings sind einige Kandidaten über Direktmandate gewählt worden – darunter auch Politiker der rechten Partei Swoboda, die mehrere Minister stellt. Ob sie die Fünf-Prozent-Hürde überwunden hat, war bei Redaktionsschluss noch unklar.
Schaden Zissels sagte, ihm mache der Einzug von Rechtsradikalen ins ukrainische Parlament keine Sorgen. Sowohl der Anführer der radikalen Partei »Rechter Sektor«, Dmitri Jarosch (gewählt in Dnipropetrowsk), als auch der Kommandeur des Freiwilligenbataillons »Asow«, der bekennende Nationalist Andrej Bileztki (gewählt in Kiew), würden zwar Schaden anrichten. Allerdings betonte Zissels im Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen: »Jarosch ist kein Rassist und schon gar kein Antisemit.«
Bilezkis Ansichten hingegen seien zwar nationalistisch und rassistisch gefärbt, aber »ein Soldat gewinnt den Krieg nicht alleine, er wird nicht viel ausrichten können«, sagte Zissels. Wichtig sei, dass radikale Abgeordnete keine Regierungsämter bekommen. Sonst seien sie »keine große Gefahr für die jüdische Bevölkerung in der Ukraine«.
Poroschenko und Jazenjuk führen bereits Koalitionsverhandlungen. Auch im Gespräch sind die prowestliche Partei Selbsthilfe des Bürgermeisters von Lwiw, Andrej Sadowy (fast elf Prozent), die Radikale Partei von Oleg Ljaschchko (7,5 Prozent) und die Vaterlandspartei von Julia Timoschenko (5,7 Prozent). Die Wahl fand nicht in den von den Aufständischen kontrollierten Gebieten Donezk und Lugansk statt. Die Separatisten wollen dort gegen den Widerstand Kiews an diesem Sonntag (2. November) selbst Wahlen abhalten. Nina Jeglinski