Brasilien

Kaum ein Auftritt ohne blauweiße Flagge

Jüdische Gruppen wehren sich dagegen, dass Präsident Jair Bolsonaro Israel für seine Ideologie instrumentalisiert

von Andreas Knobloch  05.09.2019 12:36 Uhr

Bei einem Besuch in Jerusalem im März dieses Jahres: Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro Foto: imago images / UPI Photo

Jüdische Gruppen wehren sich dagegen, dass Präsident Jair Bolsonaro Israel für seine Ideologie instrumentalisiert

von Andreas Knobloch  05.09.2019 12:36 Uhr

Seit einigen Monaten ist die israelische Flagge bei fast jedem Auftritt von Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro zu sehen. »Bolsonaros ›pro-israelische‹ Haltung war von grundlegender Bedeutung, um seine (Präsidentschafts-)Kandidatur zu festigen.

Symbolisch stimmten die Bilder von Israel mit den Ideen der neuen konservativen Welle in Brasilien überein«, erklärt Rafael Kruchin, Leitender Koordinator des Instituto Brasil-Israel (IBI) im Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen. Zusammen mit konservativen katholischen Gruppen jubelten Evangelikale über Bolsonaros Wahlsieg.

symbole Die Verwendung jüdischer Symbole durch Evangelikale, vor allem die Pfingstbewegung, hat ihren Ursprung in einem theologischen Konzept, wonach die lang ersehnte Rückkehr Jesu von der Wiederbesiedelung Israels durch das jüdische Volk und der Vertreibung der »Heiden« aus Jerusalem abhängt.

»Die Wiederkunft Jesu ist das größte Ereignis im Leben eines Christen, weil es seine Erlösung bedeutet«, sagt Marco Feliciano. Er ist Kongressabgeordneter für die Sozial-Christliche Partei (PSC) und Pastor der Assembleia de Deus, der mit acht Millionen Mitgliedern größten Pfingstkirche Brasiliens.

Feliciano erinnert daran, dass Bolsonaro bei der Wahl Millionen Stimmen von Evangelikalen bekommen hat, weil er versprach, dass Brasiliens Botschaft in Israel, wenn er Präsident wird, nach Jerusalem umziehen werde. Seine Wähler erwarteten nun die Umsetzung des Plans.

Evangelikale »Der bedeutendste Teil der Evangelikalen sieht die israelische Gesellschaft und Juden allgemein als monolithische, konservative und heilige Gruppe, ohne deren Komplexität und Pluralität zu sehen«, beklagt Rafael Kruchin. Israels Gesellschaft sei aber alles andere als ein Konsensraum. Sie umfasse heterogene Gruppen mit den unterschiedlichsten Ansichten, betont er.

»Bolsonaro bewundert aufrichtig, was Israel im Laufe der Jahrzehnte getan hat. Er tut dies ständig. Aber es gibt nicht notwendigerweise eine Deckungsgleichheit zwischen unserer jüdischen Gemeinde und der Regierung«, distanziert sich Fernando Lottenberg, Präsident der Israelitischen Konföderation Brasiliens (CONIB).

Rafael Kruchin kritisiert, dass konservative Gruppen, die mit der Regierung Bolsonaro verbunden sind, Israel für ihre Agenda benutzten. Immer wieder gebe es Anspielungen auf israelische Si­cherheitstechnologien und die Armee. Dies diene dazu, die Sehnsüchte des konservativen Lagers zu befriedigen. »Israels Image als ›Start-up-Nation‹ und Referenz in wissenschaftlicher und technologischer Entwicklung passt sehr gut zur liberalen Wirtschaftsideologie.«

Marihuana Symbole hätten jedoch keine eigene Existenz, sondern verwiesen auf diejenigen, die sie verwenden, betont Kruchin. »Im Falle Israels ist es offensichtlich: Bolsonaro verwendet eine gefälschte Idee des Landes, um seine ideologische Agenda zu festigen.« Er »vergesse« dabei aber bewusst, dass Israel eine fortschrittliche Haltung zu Themen wie Abtreibung, Homosexuellenrechte und Marihuana-Legalisierung einnimmt.

Michel Gherman, Koordinator für Jüdische Studien an der Universidade Federal do Rio de Janeiro (UFRJ) und erklärter Gegner Bolsonaros, verweist darauf, dass jüdische Organisationen, die Bolsonaro unterstützen, stärker wahrgenommen werden. »Es gibt ein Konstrukt des Imaginären, man könne nicht jüdisch und zugleich links sein.«

Auch Kruchin spricht von Konstrukten – und warnt: »Man sollte vorsichtig sein mit der Aussage, Bolsonaro verteidige Israel. Tatsächlich nutzt der Präsident den jüdischen Staat für politische Zwecke. Er entwirft, um seine Weltanschauung zu stützen, ein Bild von Israel und von Juden, das nicht real ist.«

Dubai

Emirate melden Festnahmen im Mordfall eines Rabbiners

Israels Außenministerium sprach von einem antisemitischen Terrorakt. Nun veröffentlichen die Behörden in den Vereinigten Arabischen Emiraten Details

von Arne Bänsch  24.11.2024

Osteuropa

Mehr Schein als Sein

Länder wie Polen, Litauen oder Ungarn geben sich derzeit als besonders israelfreundlich und sicher für Juden

von Alexander Friedman  24.11.2024

Vereinigte Arabische Emirate

Dubai: Vermisster Chabad-Rabbiner tot aufgefunden

Israelischen Sicherheitskreisen zufolge gibt es Hinweise, dass der Iran für die Tat verantwortlich ist

 24.11.2024 Aktualisiert

USA

Frum auf High Heels

Die Influencerin Ellie Zeiler jettet um die Welt – neuerdings auch mit Siddur im Gepäck. Millionen verfolgen in den sozialen Medien, wie die junge Frau die Religion für sich entdeckt

von Nicole Dreyfus  24.11.2024

Social Media

Auschwitz-Komitee zieht sich von Plattform X zurück

Überlebende des Holocaust empfinden den antisemitischen Hass auf X als zunehmend bedrohlich

 21.11.2024

USA

Loyal und radikal

Der künftige Präsident Donald Trump vergibt wichtige Ministerposten an Personen, die bislang nicht durch Kompetenz aufgefallen sind, sondern eher durch Kontroversen von sich reden machten

von Michael Thaidigsmann  21.11.2024

Nachruf

Der Vater des Budget-Tourismus ist tot

Arthur Frommer wurde 95 Jahre alt

von Imanuel Marcus  20.11.2024

New York/Malibu

»Mein Name ist Barbra«

Die Streisand-Autobiografie erscheint auf Deutsch

von Christina Horsten  20.11.2024

Schweiz

Konservative Christen gegen den ESC

Eine Minipartei erwirkt ein Referendum gegen das hohe Rahmenbudget für den Eurovision Song Contest. Dabei geht es auch um Israel

von Peter Bollag  19.11.2024