Die Ergebnisse einer Umfrage unter jüngeren Erwachsenen in den USA, die zu ihrem Wissen über den Holocaust befragt wurden, ist von Experten mit Erschrecken zur Kenntnis genommen worden.
Die Claims Conference, eine Organisation, die sich seit fast 70 Jahren für die Belange der Schoa-Überlebenden starkmacht, hatte landesweit 1000 Amerikaner zwischen 18 und 39 Jahren dazu befragen lassen, ob sie die Zahl der ermordeten Juden und mindestens den Namen eines ehemaligen Konzentrationslagers kennen. Laut Umfrage wussten fast zwei Drittel der Befragten nicht, dass im Holocaust sechs Millionen Juden ermordet wurden. 36 Prozent schätzten die Opferzahl sogar auf weniger als zwei Millionen.
Zwar haben die meisten jüngeren Amerikaner schon vom Holocaust gehört. Doch nur rund die Hälfte der Befragten konnte den Namen eines Konzentrationslagers nennen. 15 Prozent waren der Auffassung, der Holocaust sei ein Mythos oder werde übertrieben. Ein Fünftel fand, es werde viel zu viel über das Thema geredet. Und für elf Prozent der Befragten waren die Juden gar selbst schuld an der Schoa.
Schulen Zu den Staaten mit dem geringsten Wissensstand gehörten paradoxerweise New York und Florida – zwei Bundesstaaten mit großen jüdischen Gemeinden. Dort wussten deutlich mehr Befragte nichts oder wenig über die Schoa als beispielsweise in Wisconsin – und das, obwohl an den Schulen Floridas und New Yorks im Gegensatz zu Wisconsin das Thema Holocaust zum Pflichtprogramm gehört.
Zu den Staaten mit dem geringsten Wissensstand gehörten paradoxerweise New York und Florida.
Zeigt der verpflichtende Unterricht also keine positiven Effekte? Rüdiger Mahlo ist da anderer Meinung. »Es kommt auf die Art und Weise an, wie in der Schule damit umgegangen wird«, meint der Repräsentant der Claims Conference in Deutschland. »Wichtig ist, dass man die jungen Menschen erreicht und sie persönlich anspricht.«
Die Umfrage zeige die großen Herausforderungen, vor denen man stehe. »Die Schoa nur als historisches Ereignis zu begreifen und zu vermitteln, genügt nicht. Damit erreicht man viele nicht mehr«, sagt Mahlo. Man müsse vielmehr »Relevanz schaffen« für das Leben der jungen Leute.
»Das große Problem ist, dass Begegnungen mit Überlebenden, die in Schulen aus erster Hand über die ihnen angetanen Gräuel berichten, bald nicht mehr möglich sein werden. Und wenn man mit jungen Leuten spricht, nennen sie einem oft solche Begegnungen als das, was sie am meisten berührt habe. Für uns stellt sich die Frage: Wie übermittelt man künftig die Stimme der Überlebenden an die nächste Generation?«
Projekte Mit dem Holocaust-Education-Fonds fördert die Claims Conference mit jährlich 18 Millionen Dollar weltweit Projekte zur besseren Vermittlung der Schoa. Der Fonds sei auch dazu da, gezielt kleinere Vorhaben, zum Beispiel in der muslimischen Welt, zu finanzieren, berichtet Mahlo.
Die Überlebenden sorgten sich, dass das Wissen über die Gräueltaten während der NS-Zeit nach ihrem Tod verschwinden könnte, so Mahlo. Auch deshalb habe die Claims Conference kürzlich eine Kampagne gestartet, um die Internet-Plattform Facebook dazu zu bewegen, mehr gegen Holocaustleugnung und antisemitische Hetze zu unternehmen.